Entscheidungsstichwort (Thema)
Privatgutachten. Erstattung der Kosten
Leitsatz (amtlich)
I. Die Kosten eines Privatgutachtens sind nur erstattungsfähig, wenn es im Zeitpunkt der Beauftragung des Sachverständigen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war, das Gutachten einzuholen.
II. Kann der Arbeitgeber den Kündigungsvorwurf (Fertigung eines anonymen Schreibens durch den Arbeitnehmer) auch ohne das Privatgutachten darlegen, ist die Beauftragung des Sachverständigen nicht in dem genannten Sinne erforderlich. Es ist dabei ohne Belang, dass gegebenenfalls ein gleichartiges gerichtliches Gutachten eingeholt werden muss.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 15.05.2006; Aktenzeichen 30 Ca 3032/05) |
Tenor
I.
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. Mai 2006 – 30 Ca 3032/05 – geändert:
Der Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Kostenfestsetzungsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Klägers, die Kosten eines von der Beklagten in Auftrag gegebenen Sachverständigengutachtens zu tragen.
Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 1. Dezember 1990 als Mitarbeiter im Verkauf gegen eine monatliche Bruttovergütung von zuletzt 1.815,00 EUR tätig. Die Beklagte verdächtigte den Kläger, Urheber eines anonymen Schreibens zu sein, in dem der Vorgesetzte des Klägers und ein Mitarbeiter verunglimpft worden waren. Sie holte deshalb eine gutachterliche Stellungnahme eines Sachverständigen für Forensische Schriftuntersuchung und Urkundenprüfung ein, der aufgrund eines Schriftstückvergleichs zu dem Ergebnis kam, dass der Kläger mit sehr großer Wahrscheinlichkeit Urheber des anonymen Schreibens war. Nachdem der Kläger dies abgestritten hatte, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28. Januar 2005 zum 30. Juni 2005.
Mit seiner Kündigungsschutzklage vom 7. Februar 2005 hat sich der Kläger gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewandt und weiterhin in Abrede gestellt, Urheber des anonymen Schreibens zu sein. Eine Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht vom 14. März 2005 blieb erfolglos. Die Beklagte beauftragte daraufhin im Mai 2005 Prof. Dr. T. B., durch eine linguistische und kommunikationswissenschaftliche Untersuchung festzustellen, ob das anonyme Schreiben von dem Kläger stammt; in die Untersuchung wurde ein weiteres anonymes Schreiben einbezogen. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten vom 31. Juli 2005 zu dem Ergebnis, dass die anonymen Schreiben und die von dem Kläger stammenden Vergleichsschreiben den gleichen Urheber haben. Das Gutachten lag dem Arbeitsgericht im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 8. August 2005 vor. Dort erklärte der Kläger erneut, dass die anonymen Schreiben nicht von ihm verfasst worden seien; im Anschluss daran nahm er die Klage zurück.
Das Arbeitsgericht hat die Kosten des Rechtsstreits durch Beschluss vom 23. August 2005 dem Kläger auferlegt und durch Beschluss vom 15. Mai 2006 gegen den Kläger die Kosten des Gutachtens in Höhe von 10.109,80 EUR festgesetzt.
Gegen diesen ihm am 22. Mai 2006 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss richtet sich die am 6. Juni 2006 (Dienstag nach Pfingsten) eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers. Es habe – so meint der Kläger – für die Beklagte keine Veranlassung bestanden, das Gutachten einzuholen; denn sie habe sich bereits aufgrund der vorprozessual eingeholten gutachterlichen Stellungnahme zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses entschieden. Das Gutachten sei für das Arbeitsgericht nicht von ausschlaggebender Bedeutung gewesen; so habe der Vorsitzende der Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 8. August 2005 vor allem ein von ihm – dem Kläger – stammendes Schreiben vom 28. Juni 2005 für bedeutsam gehalten. Es sei Sache des Gerichts, ein Sachverständigengutachten einzuholen; die Kosten des eingeholten Privatgutachtens müsse die Beklagte selbst tragen.
Die Beklagte hält den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss für zutreffend. Die vorprozessual eingeholte Stellungnahme habe nicht ausgereicht, den Kläger zur Rücknahme der Klage zu bewegen. Auch habe das Arbeitsgericht in der Güteverhandlung vom 14. März 2005 zu erkennen gegeben, dass sie – die Beklagte – nachweisen müsse, dass das anonyme Schreiben vom Kläger stamme. Die vor Ausspruch der Kündigung eingeholte gutachterliche Stellungnahme sei hierfür unzureichend gewesen. So habe der Vorsitzende der Kammer des Arbeitsgerichts mit Schreiben vom 2. Juni 2005 angeregt, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich gegen Zahlung einer Abfindung aufzuheben und auf diese Weise zu erkennen gegeben, dass er weiterhin nicht von der Wirksamkeit der Kündigung überzeugt sei. Erst das eingeholte Sachverständigengutachten habe dazu geführt, dass das Gericht dem Kläger die Klagerücknahme empfohlen habe.
Das Beschwerde...