Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg und sachliche Zuständigkeit im Verhältnis von der Arbeits- zur Zivilgerichtsbarkeit. Aufrechnung mit einer Forderung der Zivilgerichtsbarkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach der Neufassung des § 48 ArbGG und dem Wegfall des § 48 a ArbGG stellt sich das Verhältnis der Arbeits- zur Zivilgerichtsbarkeit nicht mehr als eine Frage der sachlichen Zuständigkeit, sondern des Rechtsweges dar.

2. Zur Frage, ob die Gerichte für Arbeitssachen über eine zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung der Zivilgerichtsbarkeit entscheiden dürfen.

 

Normenkette

ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a, Abs. 3, § 48 Abs. 1; GVG § 17a; BGB § 387 ff., §§ 565b, 611; ZPO §§ 29a, 148; GG Art. 95 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 13.05.1992; Aktenzeichen 89 A Ca 19486/91)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 13.05.1992 – 89 A Ca 19486/91 – wird bei einem Beschwerdewert von 395,– DM auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Der 1957 geborene, verheiratete Kläger, Vater einer 1991 geborenen Tochter, der die vietnamesische Staatsbürgerschaft besitzt, kam aufgrund des „Abkommens zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der Sozialistischen Republik Vietnam über die zeitweilige Beschäftigung und Qualifizierung vietnamesischer Werktätiger in Betrieben der Deutschen Demokratischen Republik vom 11. April 1989 in die DDR und arbeitete dort als Wäscher beim Rechtsvorgänger der Beklagten. Nach Art. 4 Ziff. 1 des Arbeitsvertrages oblag es dem Betrieb unter anderem, „Werktätigen Wohnraum in einer Gemeinschaftsunterkunft entsprechend den Festlegungen des Abkommens bereitzustellen”, während der Kläger gemäß Art. 4 Ziff. 2 „die Heimordnung der Gemeinschaftsunterkunft einzuhalten und die monatliche Miete in der festgelegten Höhe zu entrichten” hatte. Dementsprechend wohnte der Kläger bei einer monatlichen Miete von 30,– DM in einem Wohnheim, und zwar bis Ende Januar 1991.

Aufgrund eines schriftlichen Überleitungsvertrages arbeitete der Kläger bei der Beklagten bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses Ende Januar 1991. Er zahlte für seinen Wohnplatz weiterhin 30,– DM monatlich, die die Beklagte von seinem Einkommen jeweils in Abzug brachte. Seit Juli 1990 hielt die Beklagte statt insgesamt 30,– DM monatlich pro Tag 7,50 DM für den Wohnplatz vom Arbeitseinkommen des Klägers ein.

Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 28. August 1991 eingegangenen Klage hat der Kläger die Beklagte für die Zeit von Juli 1990 bis Januar 1991, nachdem er die klage wegen eines weitergehenden Betrages zurückgekommen hatte, auf Aufzahlung der von der Beklagten einbehaltenen bzw. verrechneten „Mietbeträge” in Höhe von insgesamt 1.187,50 DM in Anspruch genommen. Er hat die Ansicht vertreten, daß zwischen den Parteien eine vertragliche Vereinbarung bestanden habe, in deren Rahmen neben der Verpflichtung zur Bereitstellung von Wohnheimzimmern die Beklagte verpflichtet zur Bereitstellung von Wohnheimzimmern die Beklagte verpflichtet gewesen sei, als Bestandteil der Vergütung einen Zuschuß zur Miete in der geltend gemachten Höhe zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.187,50 DM netto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat unter anderem die sachliche Zuständigkeit des anberufenen Gerichte gerügt, weil nach ihrer Meinung hinsichtlich des Wohnplatzes von einem Mietverhältnis zwischen den Parteien ausgegangen werden müßte. Für derartige Streitigkeiten seien aber ausschließlich die ordentlichen Gerichte zuständig.

Demgegenüber hat sich der Kläger auf den Standpunkt gestellt, daß die Gerichte für Arbeitssachen zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites befugt seien. Streitgegenstand sei nicht die Höhe von Mieten für Werkmietwohnungen, sondern die Befugnis der Beklagten, ein erhöhtes Entgelt für den von ihm belegten Wohnheimplatz von der Arbeitsvergütung in der fraglichen Zeit abzuziehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Durch am 13. Mai 1992 verkündeten Beschluß hat die Kammer 89 A des Arbeitsgerichts Berlin sich für sachlich zuständig erklärt. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf den Inhalt der erstinstanzlichen Entscheidung verwiesen.

Gegen den ihren Prozeßbevollmächtigten am 19. Juni 1992 zugestellten Beschluß richtet sich die beim Landesarbeitsgericht Berlin am 2. Juli 1992 eingegangene sofortige Beschwerde, die von ihr gleichzeitig begründet worden ist.

Auch in der Beschwerdeinstanz vertritt sie die Auffassung, daß das Arbeitsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites sachlich nicht zuständig sei. Der Rechtsstreit betreffe ausschließlich die frage, welchen Mietzins der Kläger für den ihm von ihr zugewiesenen Wohnheimplatz zu entrichten habe. Für Streitigkeiten über die Miethöhe sei aber ausschließlich die sachliche Zuständigkeit de...

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