Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit eines von der Einigungsstelle beschlossenen "Transfersozialplans" bei unzureichenden Regelungen zur finanziellen Ausstattung und ungerechtfertigten Nachteilen bei Übertritt in die Transfergesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
1. Regelungsauftrag einer Einigungsstelle zur Entscheidung über einen Sozialplan ist die Entscheidung über den Ausgleich oder die Milderung der wirtschaftlichen Nachteile für die Beschäftigten. Das setzt voraus, dass sich dem Spruch der Einigungsstelle (wenn auch erst nach entsprechender Auslegung) eindeutig entnehmen lässt, welchen genauen Umfang der beschlossene Ausgleich oder die Milderung der Nachteile hat.
2. Sollen die Regelungen eines Einigungsstellenspruchs wirtschaftliche Nachteile von Beschäftigten gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ausgleichen oder mildern, muss es möglich sein, auf ihrer Grundlage die Höhe des Ausgleichs oder der Milderung durch Auslegung genau zu bestimmen.
3. Ein von der Einigungsstelle beschlossener Sozialplan ist unwirksam, wenn weder die für einzelne Beschäftigte verwendbare Summe noch die im Ergebnis insgesamt aufzuwendende Summe fest steht.
4. Regelungen der Einigungsstelle zu einem vorgesehenen dreiseitigen Vertrag zum Übergang in eine Transfergesellschaft sind nicht vom Regelungsspielraum der Einigungsstelle gedeckt, wenn mit diesen für den Fall eines Übertritts Nachteile für die Beschäftigten verbunden sind, für die es keine Rechtfertigung gibt.
5. Ein mögliches Interesse, das Arbeitsverhältnis zu beenden und sich nicht mehr mit etwaigen offenen Fragen beschäftigen zu müssen, stellt keinen hinreichenden Grund dafür dar, ein Einverständnis hiermit zur Bedingung für die zentrale Leistung eines Sozialplans zu machen.
6. Entsprechend der Regelung des § 139 BGB hat die Teilnichtigkeit eines Rechtsgeschäfts dessen Gesamtnichtigkeit zur Folge, wenn nicht anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen worden wäre und der verbleibende Teil ohne die unwirksamen Bestimmungen keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält. Machen die Regelungen bezüglich einer Transfergesellschaft den wesentlichen Teil eines ausdrücklich als "Transfersozialplan" bezeichneten Sozialplans aus, kann nicht angenommen werden, dass die verbleibende Regelung auch ohne diesen Bestandteil vereinbart worden wäre.
Normenkette
BetrVG § 76 Abs. 5, 5 S. 3, § 112 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 Nr. 2a
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 07.07.2015; Aktenzeichen 13 BV 1848/15) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. Juli 2015, 13 BV 1848/15 wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines von der Einigungsstelle beschlossenen Sozialplans.
Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) erbrachte mit zuletzt ca. 190 Beschäftigten Passagierabfertigungsdienstleistungen. Komplementärin der Arbeitgeberin ist die A. P. Service Berlin GmbH & Co KG, einzige Kommanditistin die G. Berlin GmbH & Co KG (im Folgenden: GGB), deren Kommanditanteile von einem Unternehmen der W.-Gruppe gehalten werden. Die 2008 von der Lufthansa und dem Flughafenbetreiber veräußerte GGB wurde zum Mai 2012 in einen Betrieb Vorfelddienstleistungen, einen Betrieb Verwaltung und einen Betrieb Passagedienstleistungen - die Arbeitgeberin - aufgeteilt. Die GGB beauftragte nunmehr die Arbeitgeberin im Rahmen eines Unterauftragsverhältnisses mit der Erbringung von Passagierabfertigungsdienstleistungen. Im Februar 2013 wurde ein Mantel- und Vergütungstarifvertrag für Bodenverkehrsdienste unterzeichnet, die zum 1. September 2013 für allgemeinverbindlich erklärt wurden. Weiter wurde mit der Arbeitgeberin ein Firmentarifvertrag (Überleitungstarifvertrag) vereinbart, der erhebliche Besitzstandszulagen vorsieht. Zu einer später arbeitgeberseitig angestrebten Reduzierung derselben kam es nicht. Im Rahmen von Tarifverhandlungen bot die Arbeitgeberseite im Juni 2014 den Abschluss eines tarifvertraglichen Sozialplans mit einer Abfindungsformel von 0,5 Monatsentgelten pro Beschäftigungsjahr an. Dies lehnte die Tarifkommission der Arbeitnehmerseite am 25. Juni 2014 unter Hinweis auf ihre Forderung nach höheren Abfindungen ab. Am 3. September 2014 beschloss eine aus Anlass des Wegfalls u.a. der Aufträge in Schönefeld im Betrieb der Arbeitgeberin gebildete Einigungsstelle nach entsprechender Finanzierungszusage der GGB einen Sozialplan mit Abfindungen in Höhe von ca. 0,3 Bruttomonatsgehältern pro Beschäftigungsjahr (s. Bl. 163-167 d.A.).
Im September 2014 kündigte die GGB als einzige Auftraggeberin der Arbeitgeberin sämtliche noch vorhandenen Aufträge, teilweise zu Anfang November 2014, im Übrigen zum 31. März 2015. Nach Mitteilung einer infolgedessen beabsichtigten Betriebsstilllegung kam es zu Verhandlungen zwischen der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat und antragstellenden Beteiligten zu 1) (im Folgenden: Betriebsrat) über einen ...