Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf qualifiziertes Zeugnis nicht hinreichend vollstreckungsfähig. Abweichungsgrund Gegenstand des Erkenntnisverfahrens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es liegt kein Vergleich mit einem vollstreckungsfähigen Inhalt vor, wenn die Parteien sich auf die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses geeinigt haben, wobei der Arbeitnehmer berechtigt ist, einen eigenen Entwurf zu unterbreiten, von dem der Arbeitgeber nur aus wichtigem Grund abweichen kann und darf, und im Rahmen der Zwangsvollstreckung streitig ist, ob der Arbeitgeber hätte abweichen dürfen.

2. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber zu den Gründen der Abweichungen nicht "nachvollziehbar" vorträgt.

 

Normenkette

ZPO §§ 888, 569 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 21.01.2019; Aktenzeichen 7 Ca 14.033/17)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 21.01.2019 - 7 Ca 14.033/17 - abgeändert:

Der Zwangsvollstreckungsantrag der Gläubigerin vom 26.10.2018 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Zwangsvollstreckung hat die Gläubigerin zu tragen.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten im Rahmen der Zwangsvollstreckung darüber, ob die Schuldnerin (Arbeitgeberin und ehemalige Beklagte) der Arbeitnehmerin als Gläubigerin ein Zeugnis zu erteilen hat, das ihrem Entwurf entspricht.

Im Rahmen eines Kündigungsrechtsstreits haben sich die Parteien in einem gerichtlich festgestellten Vergleichs vom 08.05.2018 unter anderen wie folgt geeinigt:

"4. Die Beklagte erteilt der Klägerin ein auf Führung und Leistung erstrecktes Zeugnis unter dem Ausstellungsdatum 30.11.2017. Dazu ist die Klägerin berechtigt, der Beklagten einen eigenen Zeugnisentwurf zu unterbreiten, von dem die Beklagte nur aus wichtigem Grund abweichen kann und darf."

Der Schuldnerin ist dieser Vergleich am 22.05.2018 zugestellt worden. Mit Schreiben vom 24.07.2018 hat die Gläubigerin der Schuldnerin einen Zeugnisentwurf zugeleitet (Anl. G3, Bl. 163f d.A.). Die Schuldnerin übersandte am 18.08.2018 einen hiervon abweichenden Zeugnistext (Anl. G4, Bl. 165f d.A.).

Mit Schreiben vom 26.10.2018 hat die Gläubigerin unter Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs die Zwangsvollstreckung beantragt. Sie hat dies damit begründet, dass die Schuldnerin von dem Zeugnisentwurf abgewichen sei. Schon der äußerlichen Form nach fehle es an einem ordnungsgemäßen Zeugnis, da die Schuldnerin ein Adressfeld ausgefüllt habe und das Zeugnis vor der Unterschrift "mit freundlichen Grüßen" ende. Die Schuldnerin habe auch keine nachvollziehbaren Gründe für eine Abweichung mitgeteilt.

Mit Beschluss vom 21.01.2019 hat das Arbeitsgericht Berlin dem Antrag stattgegeben und gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der Verpflichtung nach Ziffer 4. des Vergleichs ein Zwangsgeld i.H.v. 2.000,00 € verhängt und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 500,00 € einen Tag Zwangshaft, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Schuldnerin, festgesetzt. Hierbei Ist das Arbeitsgericht davon ausgegangen, dass nach den Grundsätzen der Zeugniswahrheit zwar von einem Entwurf der Gläubigerin grds. hätte abgewichen werden dürfen, doch käme es hierauf nicht an, weil die Schuldnerin nur pauschale Behauptungen aufgestellt habe. Insofern könne nicht beurteilt werden, ob "nachvollziehbare Gründe" für eine Abweichung vorgelegen hätten.

Dieser Beschluss ist der Schuldnerin am 30.01.2019 zugestellt worden. Die sofortige Beschwerde ging am 08.02.2019 beim Landesarbeitsgericht ein.

Die Schuldnerin beruft sich erneut darauf, dass das erteilte Zeugnis dem Grundsatz der Zeugniswahrheit entspreche. Ob dies der Fall sei, könne nur in einem neuen Erkenntnisverfahren überprüft werden. Abweichungen müsse sie nicht substantiiert begründen. Andernfalls werde dem Erkenntnisverfahren vorgegriffen. Es bestünden auch deswegen Bedenken hinsichtlich der Vollstreckbarkeit des abgeschlossenen Vergleichs, weil für das zu erteilende Zeugnis ein Entwurf Maßstab sein soll, der zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses noch nicht einmal existierte. Dies sei nach der Rechtsprechung des BGH nicht möglich.

Die Schuldnerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 21.01.2019, Az.: 7 Ca 14.033/17, aufzuheben und den Antrag der Gläubigerin vom 26.10.2016 abzulehnen.

Die Gläubigerin beantragt,

die sofortige Beschwerde der Beklagten und Beschwerdeführerin zurückzuweisen.

Die Gläubigerin hält den Vortrag der Schuldnerin für unsubstantiiert. Schon deswegen könne offen bleiben, ob diese in berechtigter Weise von dem vorgelegten Zeugnisentwurf hätte abweichen dürfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 62 Abs. 2 S. 1, 78 S. 1 ArbGG, 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft und auch form- und fristgerecht (§ 569 Abs. 1 ZPO) eingelegt worden.

In der Sache hat die sofortige Beschwerde auch Erfolg. Zu Unrecht hat das Arbeitsgericht Berlin nach hiesiger Auffassung gemäß § 888 ZPO den Zwangsgeldbeschluss gegen die Schuldneri...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge