Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollstreckung des Anspruchs auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO schmälert eine rückwirkende Heilung eines Zustellungsmangels nicht die Rechte des Schuldners. Sie ist daher auch noch im Beschwerdeverfahren möglich.

2. Im Zwangsvollstreckung ist zu klären, ob das erteilte Zeugnis dem eingereichten Entwurf "entspricht". Dies erfordert nicht, dass der Zeugnisentwurf Wort für Wort übernommen worden ist. Das Zwangsvollstreckungsverfahren kann auch nicht dazu führen, dass der Arbeitgeber ein Zeugnis erteilen muss, das gegen den Grundsatz der Zeugniswahrheit verstößt. Bis zu dieser Grenze ist der Arbeitgeber aber im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO anzuhalten, ein dem Entwurf des Arbeitnehmers entsprechendes Zeugnis zu erteilen (BAG v. 09.09.2011, 3 AZB 35/11).

3. Das vom BAG herangezogene Abgrenzungsmerkmal der "Nachvollziehbarkeit" bezieht sich nicht auf die Frage des Nachweises, wenn es zwischen Parteien umstritten ist, ob eine konkrete Formulierung im Zeugnisentwurf, die ein Schuldner nicht übernommen hat, den Grundsätzen der Zeugniswahrheit und -klarheit entspricht. Sind hier Tatsachen umstritten, dann bleibt diese Klärung dem Erkenntnisverfahren vorbehalten.

4. "Nachvollziehbarkeit" bedeutet in diesem Zusammenhang nur, dass es nicht genügt, wenn sich ein Schuldner floskelhaft auf die Grundsätze der Zeugniswahrheit und -klarheit zurückzieht, um sich der Zwangsvollstreckung erfolgreich zu entziehen. Zu fordern ist insoweit für die Frage der "Nachvollziehbarkeit", dass er konkret vorträgt, welche Gründe die Übernahme der Entwurfsformulierung in das Zeugnis hindern.

5. Zu prüfen ist im Zwangsvollstreckungsverfahren dann vom Gericht nur die Schlüssigkeit dieses Vortrags, nicht, ob er zutrifft.

6. Gibt der Schuldner nur für einen Teil der Abweichungen nachvollziehbare Gründe an, ist der Zwangsvollstreckungsantrag erfolgreich. In der Konsequenz der Entscheidung des BAG liegt es dann, den Schuldner mit den Mitteln des § 888 ZPO zur Erfüllung anzuhalten, soweit er sich nicht mit nachvollziehbaren Gründen gegen den Zeugnisentwurf zur Wehr setzt.

 

Normenkette

ZPO § 888; GewO § 109

 

Verfahrensgang

ArbG München (Entscheidung vom 18.11.2014; Aktenzeichen 30 Ca 12547/13)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 18.11.2014, 30 Ca 12547/13, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

3. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf € 1.500,- festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem vor dem Arbeitsgericht München am 03.04.2014 geschlossenen Vergleich. Soweit von Interesse lautet der Vergleich auszugsweise wie folgt:

"Der Beklagte verpflichtet sich, der Klägerin ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis auszustellen und zu übersenden, das sich auf die Leistung und das Verhalten im Arbeitsverhältnis erstreckt, das inhaltlich einem Entwurf der Klägerin entspricht, die diesen an den Beklagten übersenden wird."

Die Gläubigerin hat dem Schuldner einen Entwurf übermittelt (Wortlaut siehe Bl. 62 d. A.), den dieser zunächst mit dem Hinweis nicht unterzeichnete, dass "in dem Entwurf ... falsche Tatsachen aufgeführt" seien.

Das Arbeitsgericht München hat mit Beschluss vom 18.11.2014 (dem Schuldner zugestellt am 25.11.2014) ein Zwangsgeld ersatzweise Zwangshaft festgesetzt mit dem Hinweis, dass überhaupt kein Zeugnis übermittelt wurde.

Mit Schriftsatz vom 09.12.2014 (Zugang beim Arbeitsgericht München am selben Tag) legte der Schuldner hiergegen sofortige Beschwerde mit der Begründung ein, mittlerweile habe der Schuldner ein Zeugnis übermittelt (zum Wortlaut desselben siehe Bl. 76 d. A.).

Mit Beschluss vom 17.12.2014 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde mit der Begründung nicht abgeholfen, das Zeugnis enthalte mehrere grammatikalische Fehler und entspreche nicht dem Entwurf der Gläubigerin, ohne dass ersichtlich werde, aus welchen Gründen der Schuldner dem Entwurf nicht entsprochen habe.

Mit Beschluss vom 27.01.2015 wurde die Gläubigerin darauf hingewiesen, dass nicht ersichtlich sei, ob die allgemeinen Voraussetzungen für die Einleitung des Zwangsvollstreckungsverfahrens vorliegen. Zwar sei zu dem Vergleich (Titel gemäß §§ 704, 794 ZPO) eine vollstreckbare Ausfertigung (§ 724 ZPO) erteilt worden. Aus der Prozessakte ergebe sich aber nicht, dass der Vergleich der Schuldnerin zugestellt worden ist (§§ 750, 794 Abs. 1 Nr. 1, 795 ZPO). Der Schuldner wurde darauf hingewiesen, dass es erforderlich sei, nachvollziehbare Gründe dafür anzugeben, warum vom Entwurf der Gläubigerin abgewichen wurde. Die Parteien erhielten Gelegenheit zu ergänzenden Ausführungen.

Mit Schriftsatz vom 20.02.2015 teilte der Schuldner mit, dass er entgegen dem Zeugnisentwurf keine Auszubildenden beschäftige. Mit Schriftsatz vom 06.03.2015 teilte die Gläubigerin mit, dass mittlerweile de...

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