Entscheidungsstichwort (Thema)
Versetzung bei dauerhafter Zuweisung eines neuen Tätigkeitsbereiches. Betriebsspaltung nicht identisch mit Versetzung
Leitsatz (amtlich)
Die Ausgliederung einzelner Filialen aus einem Betrieb und die gleichzeitige Zuordnung zu einem anderen Betrieb des Arbeitgebers stellt keine Versetzung im Sinne der §§ 99 Abs. 1, 103 Abs. 3 BetrVG i.V.m. § 95 Abs. 3 BetrVG dar.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 1, § 103 Abs. 3, § 95 Abs. 3, § 21a Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 12.06.2020; Aktenzeichen 44 BVGa 6530/20) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. Juni 2020 - 44 BVGa 6530/20 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Antragsteller ist der siebenköpfige Betriebsrat, der für den Betrieb Berlin Distrikt 2 der Beteiligten zu 2), der Arbeitgeberin, gewählt worden ist.
Die Arbeitgeberin betreibt Kaffeehäuser als Franchisenehmerin von S.. Sie gab im Mai 2019 ihre Planung bekannt, wonach in Berlin nicht mehr 4, sondern 5 Distrikte gebildet werden sollen. Verschiedene Filialen sollten anderen Distrikten zugeordnet werden. So sollten unter anderem Filialen, in denen auch die hier betroffenen Betriebsratsmitglieder beschäftigt werden, künftig dem Distrikt 1 zugeordnet werden, der einen eigenen Betrieb mit einem eigenen Betriebsrat bildet. Dies hätte zur Folge, dass die im Distrikt 2 gewählten Betriebsratsmitglieder ihr Amt verlieren würden. Verhandlungen über einen Interessenausgleich blieben in der Einigungsstelle am 14.11.2019 ergebnislos. Am 15.11.2019 hat die Arbeitgeberin durch Aushang die Neugliederung bekannt gemacht.
In einem ersten einstweiligen Verfügungsverfahren hatte der Betriebsrat die auch jetzt wieder anhängigen Anträge zu 1) - 3) gestellt. Das Arbeitsgericht Berlin hatte den Anträgen zu 1) und 3) stattgegeben. Zweitinstanzlich war die einstweilige Verfügung mit der Begründung aufgehoben worden, dass der Betriebsrat es verabsäumt habe, die Vollziehungsfrist gemäß § 929 Abs. 2 ZPO zu wahren (LAG Berlin-Brandenburg 13.05.2020 - 15 TaBVGa 2087/19 - juris).
Mit der am 14.05.2020 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Antragsschrift begehrt der Betriebsrat im Wege der einstweiligen Verfügung u.a. erneut die Aufhebung von Versetzungen der sieben benannten Betriebsratsmitglieder in den Distrikt 1. Er hat die Ansicht vertreten, dass nach Versäumung der Vollziehungsfrist der Neuerlass einer einstweiligen Verfügung möglich sei. Die Zuordnung von Filialen zu anderen Distrikten stelle für die betroffenen Betriebsratsmitglieder Versetzungen dar. Diese seien unwirksam, solange der Betriebsrat diesen Maßnahmen nicht zugestimmt habe oder die Zustimmung gerichtlich ersetzt worden sei. Es seien keine sachlichen oder wirtschaftlichen Gründe ersichtlich, warum alle Betriebsratsmitglieder ihr Amt verlieren sollten. Da ihnen seit dem 18.05.2020 kein Zugang mehr zu dem Betriebsratsaccount gewährt werde, sei der Antrag zu 4) begründet. Auch müsse ihnen wieder der Besitz an dem Betriebsratsbüro eingeräumt werden.
Der Betriebsrat hat sinngemäß beantragt,
1. der Beteiligten zu 2. aufzugeben, die Versetzungen der Betriebsratsmitglieder Michael G., Nadine K., Fabio di F., Steffen W., Kay B., Anne Z. und Tobias K. in den Betrieb Distrikt 1 aufzuheben;
2. hilfsweise der Beteiligten zu 2. aufzugeben, die Betriebsratsmitglieder Michael G., Nadine K., Fabio di F., Steffen W., Kay B., Anne Z. und Tobias K. als Betriebsratsmitglieder des Betriebes Berlin Distrikt 2 zu behandeln, soweit nicht der Betriebsrat der Versetzung zugestimmt hat oder die Zustimmung gerichtlich ersetzt worden ist;
3. der Beteiligten zu 2. für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Verpflichtung aus Ziffer 1. ein Zwangsgeld i.H.v. 250,00 € anzudrohen;
4. die Beteiligte zu 2. zu verpflichten, den Mitgliedern des Beteiligten zu 1. Michael G., Nadine K., Fabio di F., Steffen W., Kay B., Anne Z. und Tobias K. Zugriff auf den Outlook 365 Zugang des Betriebsrats und dem Beteiligten zu 1. einen vollen und unbeschränkten Lesezugriff auf die Arbeitszeitnachweise der Arbeitnehmer des Distriktes Berlin 2 auf das Zeiterfassungssystem Atoss einzuräumen;
5. die Beteiligte zu 2. zu verpflichten, dem Beteiligten zu 1. den Besitz an dem Betriebsratsbüro, 1. OG rechts, Teltower Damm 38, 14178 Berlin einzuräumen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, der Betriebsrat sei wegen der Umstrukturierungen nicht mehr existent. Es lägen keine Versetzungen vor. Sämtliche Arbeitnehmer seien in ihren Filialen verblieben. Es liege nur eine Organisationsänderung vor. Es fehle auch an einem Verfügungsgrund. In einem wiederholten einstweiligen Verfügungsverfahren könne ein Verfügungsgrund nur dann bejaht werden, wenn zusätzliche Dringlichkeitsaspekte hinzukämen. Daran fehle es.
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit dem am 12.06.2020 verkündeten Beschluss die Anträge zurückgewiesen. Es liege keine besondere Dringlichkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung...