Entscheidungsstichwort (Thema)

Regelungsgegenstand. Antrag. Auslegung. Vorsitzender

 

Leitsatz (amtlich)

Ein unpräzise bezeichneter Regelungsgegenstand ist auch im Verfahren nach § 98 ArbGG anhand der Antragsschrift und des sonstigen Prozessvorbringens auszulegen. Hinsichtlich der Person des Einigungsstellenvorsitzenden gilt das „Müllerprinzip”, wer zuerst kommt mahlt zuerst.

 

Normenkette

ArbGG § 98

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 04.05.2010; Aktenzeichen 36 BV 6336/10)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 04.05.2010 – 36 BV 6336/10 – wird zurückgewiesen und der Gegenstand der Einigungsstelle klarstellend wie folgt neu gefasst:

Verhandlung und Abschluss einer Betriebsvereinbarung über Zeit, Ort und Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Einsetzung einer Einigungsstelle, insbesondere hinsichtlich deren Regelungsgegenstands und dabei deren offensichtlicher Unzuständigkeit.

Die Arbeitgeberin betreibt eine Einrichtung der Altenpflege und zur Behandlung psychisch kranker Menschen in Berlin und ist Teil eines bundesweit tätigen Konzerns bzw. Unternehmensverbundes. Zwischen der Muttergesellschaft der hiesigen Arbeitgeberin, der P. S. C. und C. für Senioreneinrichtungen AG, und der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di wurden am 24. September 2004 verschiedene Tarifverträge vereinbart, denen auch die hiesige Arbeitgeberin unterfiel. Dazu gehörte auch ein Manteltarifvertrag, der in § 13a vorsah, dass die Arbeitgeberin den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern die Entgeltzahlung bis zum 5. Werktag des Folgemonats zu leisten habe. Diesen Tarifvertrag hat die Muttergesellschaft der hiesigen Arbeitgeberin zum 31. Dezember 2006 gekündigt und befindet sich seither nur noch in der Nachwirkung. Ein Nachfolgetarifvertrag wurde nicht vereinbart.

Nachdem die Anfechtung eines Einigungsstellenspruchs vom 25. November 2008 in einem Berliner Schwesterunternehmen betreffend eine Regelung zur Auszahlung der Arbeitsentgelte entsprechend § 614 BGB am 1. des Folgemonats letztlich durch Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19. Januar 2010 im Rahmen eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens erfolglos war, wandte sich der hiesige aus fünf Personen bestehende Betriebsrat mit einem Schreiben vom 23. März 2010 an die Arbeitgeberin mit dem Begehren, eine Betriebsvereinbarung über die bargeldlose Entgeltabrechnung und -auszahlung entsprechend § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG abzuschließen. Diesem Schreiben war der Entwurf einer Betriebsvereinbarung beigefügt. Mit Schreiben vom 13. April 2010 widersprach die Arbeitgeberin einerseits grundsätzlich, aber auch inhaltlich dem Begehren des Betriebsrates, übersandte einen anderen Betriebsvereinbarungsentwurf und teilte mit, dass sie für den Fall, dass eine Einigung mit dem Betriebsrat nicht zustande komme und die Verhandlungen scheitern würden, die Einrichtung einer Einigungsstelle beantragt werde. Als Vorsitzende für die Einigungsstelle schlug die Arbeitgeberin in diesem Schreiben bereits Frau Prof. Dr. Ch. B., Professorin für Arbeitsrecht an der Universität O. sowie einen Beisitzer je Seite vor.

Auf eine Einladung vom 15. April 2010 nebst beigefügter Tagesordnung, die unter anderem einen TOP 6 mit dem Thema „Beratung und Beschluss über das Scheitern der Verhandlungen zum eingereichten Entwurf der von Frau Wi. (Geschäftsführung) eingereichten BV bargeldlose Entgeltabrechnung und Auszahlung” sowie die gerichtliche Einsetzung der Einigungsstelle mit Herrn K. W., Richter am Arbeitsgericht Berlin und drei Beisitzern je Seite einzuleiten und Beauftragung der Verfahrensbevollmächtigten mit der Einleitung eines entsprechenden gerichtlichen Verfahrens enthielt, beschloss der Betriebsrat am 20. April 2010 in Anwesenheit von 4 Betriebsratsmitgliedern einstimmig entsprechend den in der Tagesordnung angekündigten Anträgen.

In einer Betriebsratssitzung am 28. Mai 2010, zu der am 12. Mai 2010 unter Mitteilung der Tagesordnung, die einen Tagesordnungspunkt 5 betreffend dieses Beschwerdeverfahren beinhaltete, eingeladen wurde, hat der Betriebsrat vorsorglich den Beschluss erneuert und präzisiert.

Am 21. April 2010 ging der Antrag des Betriebsrates per Telefax beim Arbeitsgericht Berlin ein. Er war wie folgt formuliert:

Herr Dr. K. W., Richter am Arbeitsgericht Berlin, wird zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Verhandlung einer Betriebsvereinbarung über die bargeldlose Entgeltabrechnung und Auszahlung bestellt.

Es wurden drei Beisitzer je Seite beantragt.

Am 22. April 2010 ging beim Arbeitsgericht Berlin ein ähnlicher Antrag der Arbeitgeberin zum Regelungsgegenstand „Fälligkeit der Vergütung nach § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG” ein, der in einem anderen Verfahren behandelt wurde.

Mit Beschluss vom 4. Mai 2010 hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrates hinsichtlich des Vorsitzenden und des Regelungsgegenstandes der Einigungsstelle entsprochen. Die Zahl der Beisitzer wurde mit zwei je Seite bestimmt.

Gegen diesen ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge