Entscheidungsstichwort (Thema)
streitiger Vorsitzender. offensichtliche Unzuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
Hinsichtlich der Person des Einigungsstellenvorsitzenden ist das Gericht an die vorgeschlagene bzw. beantragte Person gebunden, solange es keine durch tatsachenbegründeten Bedenken gegen die Unparteilichkeit oder Ungeeignetheit gibt. Der Maßstab der Offensichtlichkeit gilt im Verfahren nach § 98 ArbGG auch für alle Vorfragen, auch hinsichtlich der etwaigen Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats.
Normenkette
ArbGG § 98
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 30.11.2009; Aktenzeichen 19 BV 20301/09) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. November 2009 – 19 BV 20301/09 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um die Einsetzung einer Einigungsstelle in der Filiale 720 zum Regelungsgegenstand „Ausgestaltung der Zahlungsmodalitäten bei der Umsetzung des Tarifvertrages zur befristeten Vorsorgeleistung”.
Die Arbeitgeberin ist ein bundesweit tätiges Einzelhandelsunternehmen mit Hauptsitz in Hamburg, welches im wesentlichen Bekleidungsartikel und Accessoires verkauft. Sie betreibt in Deutschland mehr als 300 Verkaufsfilialen, die jeweils als eigenständige Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes geführt werden. Insgesamt beschäftigt sie zirka 15 000 Arbeitnehmer. Der Betriebsrat ist der am Standort Berlin, Gesundbrunnencenter, gewählte Betriebsrat der Filiale 720, in der regelmäßig ca. 50-60 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt sind.
Im Zuge der Tarifeinigung im Berliner Einzelhandel schlossen die Tarifvertragsparteien einen Tarifvertrag „Befristete Vorsorgeleistung” unter dem 4. September 2008. Dieser sieht in Ziffer 1 vor, dass grundsätzlich alle Arbeitnehmer in Verkaufsstellen im Jahre 2009 und im Jahre 2010 jeweils 131,25 EUR erhalten. Dieser Anspruch soll in gewisser Weise den Wegfall der Spätzuschläge am Samstag ab 14:30 Uhr kompensieren.
Nach Ziffer 2 dieses Tarifvertrages kann der Arbeitgeber wählen, ob er den Arbeitgeberanteil zur tariflichen Altersversorgung erhöhen oder den Betrag dem Wertguthaben eines Langzeitkontos zuführen will.
Die hiesige Arbeitgeberin hat sich für eine Aufstockung des Arbeitgeberanteils zur tariflichen Altersversorgung entschieden, da nach ihrer Ansicht betriebliche Regelungen zu einem Langzeitkonto nicht bestehen.
In Ziffer 3 des Tarifvertrages ist sodann geregelt: „Auf Wunsch des Arbeitnehmers ist die Leistung in Form von Warengutscheinen zu erbringen.” Die Anzahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die sich für einen solchen Warengutschein entschieden haben, ist nicht genau bekannt, soll aber jedenfalls ca. die Hälfte aller Beschäftigten der Filiale 720 umfassen.
Die Arbeitgeberin hat ein Rundschreiben herausgegeben (Bl. 104 d.A.), in welchem Einschränkungen der Nutzbarkeit des Einkaufsgutscheins enthalten sind. Es ist ausgeführt, dass
- • eine Kombination mit dem 25%igen Personalrabatt, anderen Coupons oder Warengutscheinen nicht zulässig sei
- • eine Übertragbarkeit auf andere Personen ausgeschlossen sei
- • der Einkauf nur mit Personalausweis oder Personaleinkaufskarte gestattet sei
- • die Kaufsumme zu 100% in das Einkaufslimit für Personalrabatt fließe.
Der Betriebsrat meint, dass die Arbeitgeberin schon nicht allein über die Art der Auszahlung nach Ziffer 2 des Tarifvertrages entscheiden könne, zumal es auch Regelungen zu einem Langzeitkonto im Betrieb gebe. Jedenfalls aber seien die Bedingungen zur Nutzung des Einkaufsgutscheins mitbestimmungspflichtig. Es würden Sachverhalte der Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 und der Nr. 4 BetrVG erfasst.
Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 30. November 2009 entschieden:
„Es wird eine Einigungsstelle eingesetzt zum Thema: ‚Ausgestaltung der Zahlungsmodalitäten bei der Umsetzung des Tarifvertrages zur befristeten Vorsorgeleistung zwischen dem Handelsverband Berlin-Brandenburg e.V. und der Gewerkschaft ver.di vom 04.09.2008’ unter dem Vorsitz des Richters am Arbeitsgericht a.D. V. R. und zwei Beisitzern pro Seite.”
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass zwar § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hier nicht einschlägig sei, aber die Vorschrift des § 87 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG rechtfertige die Einsetzung der Einigungsstelle, da es um die Art der Auszahlung der Arbeitsentgelte gehe. Denn der Gutschein sei Arbeitsentgelt. Wegen der weiteren Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung wird auf die dortigen Gründe zu II. (Bl. 42-43 d.A.) Bezug genommen.
Gegen diesen den Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin am 11. Dezember 2009 zugestellten Beschluss legte die Arbeitgeberin am 28. Dezember 2009, dem Montag nach Weihnachten, mit Schriftsatz vom gleichen Tage per Telefax Beschwerde ein und begründete diese sogleich.
Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass der Tarifvertrag den Sachverhalt abschließend regele. Die Entscheidung über Durchführungswege bei der Gewährung von Tarifleistungen treffe nach der Rechtsprechung de...