Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergleichsmehrwert bei Auskunftsklage durch Regelung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dreibruttomonatsgehälter als Vergleichsmehrwert für Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Anwaltliche Einigungsgebühr für Beendigung des Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (amtlich)

Einigen sich die Parteien anlässlich einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung (hier: Auskunftsklage) auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses, kann das einen Vergleichsmehrwert von einem Vierteljahresverdienst rechtfertigen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 21. Januar 2020 - 26 Ta (Kost) 6110/19 [Beendigungsvergleich nach Beschäftigungsklage]; LAG Hamburg 27. April 2021 - 4 Ta 5/21, Rn. 22 [Beendigungsvergleich nach außergerichtlicher Auseinandersetzung über Beendigung des Arbeitsverhältnisses]; so auch Nr. 25.1.2 des Streitwertkatalogs [Beendigungsvergleich nach Abmahnungsrechtsstreit/Streit über eine Versetzung]).

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 1000 Abs. 1; RVG § 33 Abs. 9

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 13.08.2021; Aktenzeichen 17 Ca 4728/21)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. August 2021 - 17 Ca 4728/21 - teilweise abgeändert und der Gegenstandswert für den Vergleich auf insgesamt 6.800 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Gegenstand des Rechtsstreits war ursprünglich ein Auskunftsantrag. Bereits in der Klageschrift wies die Klägerin auf zahlreiche Unstimmigkeiten unter den Parteien hin. Es wurden die Perspektiven und Möglichkeiten einer weiteren Beschäftigung diskutiert. Auch beschädigtes wechselseitiges Vertrauen ist in der Klageschrift erwähnt worden.

Am 17. Juni 2021 hat das Arbeitsgericht das Zustandekommen eines Beendigungsvergleichs festgestellt, nachdem die Arbeitgeberseite einen entsprechenden Vorschlag eingereicht hatte. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist zum 14. Juni 2021 aufgelöst worden.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 13. August 2021 den Ansatz eines Vergleichsmehrwerts mit der Begründung abgelehnt, dass es keine Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Beklagte den Ausspruch der Kündigung ernsthaft erwogen oder eine Kündigung angekündigt hätte.

Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben gegen den ihnen am 25. August 2021 zugestellten Beschluss mit einem am 26. August 2021 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts im Hinblick auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend gemacht.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 27. August 2021 nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der Vergleich der Parteien beinhaltet eine einen Vergleichsmehrwert auslösende Regelung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

1) Die anwaltliche Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht (Nr. 1000 Abs. 1 der Anlage 1 zum RVG). In den Wert eines Vergleichs sind daher die Werte aller rechtshängigen oder nichtrechtshängigen Ansprüche einzubeziehen, die zwischen den Parteien streitig oder ungewiss waren und die mit dem Vergleich geregelt wurden. Demgegenüber ist die bloße Begründung einer Leistungspflicht in dem Vergleich für den Vergleichsmehrwert ohne Bedeutung; denn es kommt für die Wertfestsetzung darauf an, worüber - und nicht worauf - die Parteien sich geeinigt haben. Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass durch den Vergleich ein Streit vermieden wurde. Ein Titulierungsinteresse kann nur dann berücksichtigt werden, wenn der geregelte Anspruch zwar unstreitig und gewiss, seine Durchsetzung aber ungewiss war (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 8. März 2017 - 17 Ta (Kost) 6013/17, Rn. 2).

Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts ist danach nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die Parteien während ihrer Vergleichsverhandlungen über die gerichtlich anhängigen Gegenstände weitere Ansprüche ansprechen und auch sie eine Regelung in dem Vergleich erfahren. Zwar wird eine Einigung der Parteien häufig nur zu erreichen sein, wenn derartige Vereinbarungen getroffen werden; denn die Parteien sind nicht selten nur dann zum Abschluss eines Vergleichs bereit, wenn weitere Fragen geregelt werden und ein diesbezüglicher zukünftiger Streit vermieden wird. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts, die zum Abschluss eines Vergleichs führt, ist jedoch mit der Einigungsgebühr als solcher abgegolten. Für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts und die damit verbundene Gebührenerhöhung muss darüber hinaus festgestellt werden, dass die geregelten Gegenstände vor Abschluss des Vergleichs streitig oder ungewiss waren. Hierzu genügen weder die Vergleichsverhandlungen als solche noch Regelungen, durch die Leistungspflichten erstmals begründet oder beseitigt werden, die Rechtsverhältnisse lediglich klarstellen...

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