Entscheidungsstichwort (Thema)
Herausgabe einer auszufüllenden Lohnsteuerkarte. Zwangsvollstreckung
Leitsatz (amtlich)
Die Verurteilung, eine Lohnsteuerkarte auszufüllen, zu unterschreiben, zu stempeln und herauszugeben, ist nach § 888 ZPO zu vollstrecken.
Normenkette
ZPO § 888
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 01.02.2011; Aktenzeichen 34 Ca 13776/10) |
Tenor
Die Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 1. Februar 2011 – 34 Ca 13776/10 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Schuldner zu Recht mit einem Zwangsgeld in Höhe von 400,00 EUR, ersatzweise Zwangshaft angehalten, die Verpflichtung aus dem Versäumnisurteil vom 21. Oktober 2010 zu erfüllen.
1. Das Arbeitsgericht hat den Schuldner durch Versäumnisurteil vom 21. Oktober 2010 – 34 Ca 13776/10 – verurteilt, an die Gläubigerin die auf ihren Namen lautende Lohnsteuerkarte für das Kalenderjahr 2009 auszufüllen, zu unterschreiben sowie zu stempeln und diese an die Gläubigerin herauszugeben. Die Verurteilung bezieht sich auf eine einheitliche Handlung, bestehend aus der Ausfertigung und Übergabe der genannten Lohnsteuerkarte, die als solche nur von dem Schuldner vorgenommen werden kann. Sie ist daher als unvertretbare Handlung i.S.d. § 888 ZPO anzusehen und durch Festsetzen eines Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft zu vollstrecken (LAG Thüringen, Beschluss vom 23. Dezember 2000 – 5 Ta 58/2000 – BB 2001, 943). Soweit eine Vollstreckung der Herausgabeverpflichtung nach § 883 ZPO für geboten gehalten wird (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 23. Dezember 2005 – 1 Ta 187/05 – juris; LAG Berlin, Beschluss vom 7. Januar 1998 – 9 Ta 1/98 – LAGE Nr. 40 zu § 888 ZPO), folgt die Beschwerdekammer dieser Auffassung in Fallgestaltungen wie der vorliegenden, in denen sich der Titel nicht ausschließlich auf die Herausgabe eines Arbeitspapiers bezieht, nicht. Hat der Arbeitgeber das Arbeitspapier bislang nicht ausgefüllt und herausgegeben, nutzt dem Arbeitnehmer eine (vorgeschaltete) Vollstreckung der Herausgabeverpflichtung nach § 883 ZPO nichts; denn er muss das gerade erhaltene Arbeitspapier dem Arbeitgeber erneut überlassen, damit dann die geschuldeten Eintragungen vorgenommen werden können. Dies zeigt, dass bei einem Titel der hier zu beurteilenden Art die Herausgabeverpflichtung nicht als eigenständig geschuldet, sondern als Bestandteil einer einheitlichen Verurteilung auf Erteilung des Arbeitspapiers angesehen werden muss.
2. Der Schuldner kann gegen die Vollstreckung nicht mit Erfolg einwenden, er habe die ausgefüllte, gestempelte und unterzeichnete Lohnsteuerkarte für das Jahr 2009 Anfang März 2010 mit einfacher Post an die Gläubigerin übersandt; die Erfüllung der geforderten Handlung sei ihm deshalb nicht möglich. Zwar ist der Schuldner im Rahmen einer Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO zu einem Unmöglichkeitseinwand berechtigt (OLG Brandenburg, Beschluss vom 27. Juli 2006 – 10 WF 149/06 – MDR 2007, 429 f.; OLG Celle, Beschluss vom 26. 11. 1997 – 4 W 253/97 – MDR 1998, 923 f.; Musielak, ZPO, 8. Auflage 2011, § 888 Rn. 9 m.w.N.); steht fest, dass der Schuldner die geforderte Handlung nicht (mehr) vornehmen kann, sind Maßnahmen der Zwangsvollstreckung unzulässig. Damit das Gericht einem derartigen Einwand folgen kann, hat der Schuldner jedoch zumindest die Umstände, aufgrund derer es ihm unmöglich sein soll, die geforderte Handlung vorzunehmen, in einer für den Gläubiger nachvollziehbaren und ggf. überprüfbaren Weise vorzutragen. Dieser Anforderung ist der Schuldner im vorliegenden Fall nicht gerecht geworden. Seine Angabe in dem Beschwerdeverfahren, er habe die „ausgefüllte, gestempelte und unterzeichnete Lohnsteuerkarte Anfang März 2010 mit einfacher Post…übersandt”, genügt in diesem Zusammenhang nicht. Auf der Grundlage dieser Angaben ist es weder der Gläubigerin noch dem Gericht möglich, den Wahrheitsgehalt dieses Vortrages zu überprüfen. Zusätzliche Zweifel an der Richtigkeit des Vorbringens des Schuldners ergeben sich aus dem Umstand, dass der Schuldner das vorprozessuale Mahnschreiben der Gläubigerin unbeantwortet gelassen und auch auf die Klage zunächst nicht reagiert hat. Erst in der Einspruchsschrift vom 1. November 2010 hat der Schuldner angegeben, er habe die Lohnsteuerkarte „bereits im Frühjahr 2010 übersandt”, ein ebenfalls völlig unzureichender und nicht überprüfbarer Sachvortrag. Bei dieser Sachlage kann nicht zugunsten des Schuldners davon ausgegangen werden, ihm sei es unmöglich, die geforderte Handlung vorzunehmen.
3. Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor. Der Schuldner ist in dem zu vollstreckenden Versäumnisurteil namentlich bezeichnet; das Urteil wurde dem Schuldner zugestellt (§ 750 ZPO). Die Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes ist angesichts der bisherigen Weigerungshaltung des Schuldners nicht zu beanstanden.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
5. Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen