Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung eines Antrags des Betriebsrats auf Verhängung eines Ordnungsgeldes aufgrund der vor der Entscheidung des Arbeitsgerichts über den Ordnungsgeldantrag eingetretenen Verfolgungsverjährung
Leitsatz (redaktionell)
Eine in einem Titel zur Begründung von Unterlassungspflichten zugleich aufgenommene Androhung eines Ordnungsgeldes stellt keine Vollstreckungshandlung dar. Diese hat auch kein Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen gemäß § 705f ZPO zur Voraussetzung. Art. 9 Abs. 1 GG stellt auf die Verletzungshandlung ab, da es dem strafähnlichen Charakter entspricht, dass eine Sanktion lediglich innerhalb einer bestimmten Verjährungsfrist nach Zuwiderhandlung ergehen kann.
Normenkette
ZPO § 890 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 19.10.2023; Aktenzeichen 29 BV 4519/22) |
ArbG Berlin (Entscheidung vom 19.10.2023; Aktenzeichen 29 BV 6558/18) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin und Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. Oktober 2023, Aktenzeichen 29 BV 6558/18 i.V.m. 29 BV 4519/22 aufgehoben.
II. Der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes vom "07.03.2021" (07.03.2022) wird zurückgewiesen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen Zuwiderhandlungen der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 12. Juli 2019 (2 TaBV 908/19).
Die Schuldnerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt mehrere große Krankenhäuser im Land Berlin. Der Gläubiger ist der für sämtliche Krankenhäuser gebildete Betriebsrat (im Folgenden: Betriebsrat).
Durch Beschluss vom 12. Juli 2019 verpflichtete das Landesarbeitsgericht die Arbeitgeberin, es zu unterlassen "bezüglich ihrer Beschäftigten - mit Ausnahme von leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG, Chefärzt*innen sowie Beschäftigten, die mittels Personalgestaltung bei einem anderen Unternehmen tätig sind - im Rahmen der erstmaligen Erstellung von Monatsdienstplänen oder ohne Dienstpläne Arbeitsleistungen anzuordnen oder mit ihnen zu vereinbaren oder Arbeitsleistungen durch Beschäftigte zu dulden, sofern nicht der Betriebsrat bezogen auf eine solche Anordnung, Vereinbarung oder Duldung von Arbeitsstunden, bezogen auf Beginn und Ende der für diese maßgeblichen täglichen Arbeitszeiten einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage zuvor zugestimmt hat oder seine fehlende Zustimmung durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist" und drohte für jeden Tag und für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000 Euro an (siehe im Einzelnen Bl. 272-287 der Akte). Der Beschluss vom 12. Juli 2019 wurde der Arbeitgeberin und dem Betriebsrat im August 2019 zugestellt.
Mit seinem am 7. März 2022 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag vom 7. März 2022 - bei der Datumsangabe 07.03.2021 handelt es sich um einen Tippfehler - hat der Betriebsrat die Festsetzung eines Ordnungsgeldes beantragt und zur Begründung ausgeführt, die Arbeitgeberin habe schuldhaft gegen ihre Unterlassungspflicht verstoßen, indem sie im Rahmen der erstmaligen Erstellung des Monatsdienstplans der Abteilung Geb./Gyn. Ärztlicher Dienst (ÄD) im Klinikum A im April 2020 in 138 Fällen Arbeitsleistungen angeordnet habe, obwohl die Einigungsstelle dem vorgelegten Entwurf eines Dienstplans nicht zugestimmt und darauf hingewiesen habe, dass dieser nicht tarifkonform sei. Der Betriebsrat hat Bezug auf die im April geleisteten 138 Dienste genommen (siehe Blatt 593 bis 672 der Akte) und ein erhebliches Organisationsverschulden geltend gemacht. Angemessen sei jedenfalls ein Ordnungsgeld von 1.000,00 Euro je Verstoß. Darüber hinaus sei zu beachten, dass in mehreren Fällen Höchstarbeitszeiten überschritten worden seien, was ein zusätzliches Ordnungsgeld von je 3.000,00 Euro, d.h. insgesamt 4.000 Euro für jeden dieser mitbestimmungswidrigen Einsätze rechtfertige. Entsprechend ergebe sich (138.000,00 + 24.000) ein Ordnungsgeld von 162.000 Euro. Der Antrag wurde der Arbeitgeberin am 14. März 2022 zugestellt. Die Arbeitgeberin hat sich unter näherer Erläuterung der Situation gegen die Verhängung eines Ordnungsgeldes gewandt, insbesondere in der geforderten Höhe.
Durch Beschluss vom 19. Oktober 2023 verhängte das Arbeitsgericht ein Ordnungsgeld in Höhe von 162.000 Euro (siehe Blatt 2463 bis 2466 der Akte) und führte zur Begründung aus, das Ordnungsgeld werde aufgrund der im Einzelnen nicht näher bestrittenen Verstöße verhängt, Verfolgungsverjährung sei nicht eingetreten, da diese mit der Festsetzung eines Ordnungsmittels ende. Der Beschluss wurde der Arbeitgeberin am 2. November 2023 zugestellt.
Gegen diesen Beschluss hat die Arbeitgeberin am 16. November 2023 sofortige Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, es liege ein Fall der Verfolgungsverjährung vor. Die Verjährung beginne nach Art. 9 Abs. 1 EGStGB mit Beendigung der Handlung und nicht dem E...