Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksamkeit des Beschlusses bei fehlender Ladung eines Ersatzmitgliedes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Betriebsrat hat nach § 9 Abs. 3 Arbeitssicherheitsgesetz kein Mitbestimmungsrecht, insbesondere kein Initiativrecht, zur Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit.

2. Ist eine Rechtsfrage - wie hier - umstritten und die Frage noch nicht vom Bundesarbeitsgericht geklärt, ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig.

 

Leitsatz (redaktionell)

Wird das Ersatzmitglied nicht zur Betriebsratssitzung eingeladen, dann führt dies zur Unwirksamkeit getroffener Beschlüsse. Ausnahmsweise dann nicht, wenn die Verhinderung des Betriebsratsmitgliedes so plötzlich erfolgt, dass die Ersatzladung nicht mehr möglich ist.

 

Normenkette

ArbGG § 100; ASiG § 9; BetrVG § 29 Abs. 2 S. 6, § 30 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 17.09.2019; Aktenzeichen 30 BV 10381/19)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin und die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 03. September 2019 - 30 BV 10381/19 - werden zurückgewiesen.

 

Gründe

1. Die Beteiligten streiten über einen Antrag des Betriebsrats, eine Einigungsstelle mit dem Gegenstand "Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit" einzusetzen.

Der Antragsteller und Beteiligte zu 1 ist der bei der Beteiligten zu 2, einem Unternehmen, das im Auftrag der BVG Fahrdienstleistungen erbringt, mit 17 Mitgliedern gewählte Betriebsrat.

Der Betriebsrat wirft der bei der Arbeitgeberin beschäftigten Fachkraft für Arbeitssicherheit vor, nicht ausreichend für den Arbeitsschutz tätig zu werden. Er regte daher gegenüber der Arbeitgeberin an, diesen Mitarbeiter als Fachkraft für Arbeitssicherheit abzuberufen. Nachdem die Arbeitgeberin dieses Ansinnen als unbegründet zurückgewiesen hatte, beschloss der Betriebsrat in seiner ordentlichen Sitzung vom 09.07.2017 bei 13 anwesenden Betriebsratsmitgliedern mit 12 Ja-Stimmen und einer Enthaltung, seine Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen und gegebenenfalls gerichtlichen Geltendmachung seines Mitbestimmungsrechts bei der Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit zu beauftragen. Für die Einzelheiten des Beschlusses wird auf Bl. 87 d.A. Bezug genommen. In seiner Sitzung vom 03.09.2019, an der 15 von 17 Mitgliedern teilnahmen, beschloss der Betriebsrat die Einigungsstelle mit dem Gegenstand "Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit" unter dem Vorsitz von Dr. R. P., Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht a.D. anzurufen und das Beschlussverfahren nach § 100 Arbeitsgerichtsgesetz einzuleiten. Für die Einzelheiten des Beschlusses wird auf den Protokollauszug (Bl. 46 d.A.) Bezug genommen. Ob die Einladung zu dieser Sitzung vor dem 30.08.2019 unter Punkt 9 einen entsprechenden Tagesordnungspunkt enthielt und allen Betriebsratsmitgliedern sowie Ersatzmitgliedern rechtzeitig zugegangen ist und ob für die beiden abwesenden Betriebsratsmitglieder Ersatzmitglieder hätten geladen werden müssen, ist zwischen den Beteiligten streitig.

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 03.09.2019, auf dessen Gründe für die weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen wird, zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Gegenstand "Abberufung der Fachkraft für Arbeitssicherheit" Dr. R. P., Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht a.D., bestellt und die Zahl der Beisitzer auf 2 je Seite festgesetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung liege ein ordnungsgemäßer Beschluss sowohl zur Verfahrenseinleitung als auch zur wirksamen Beauftragung eines Rechtsanwaltes vor. Einen solchen Beschluss habe der Betriebsrat in seiner ordentlichen Sitzung am 03.09.2019 getroffen. Der Betriebsrat habe zu dieser Sitzung unter Angabe der Tagesordnung eingeladen und in der Sitzung mit der erforderlichen Mehrheit der anwesenden Mitglieder seinen Beschluss gefasst. Die Einigungsstelle sei im Hinblick auf die in der Literatur weit vertretene Meinung auch nicht offensichtlich unzuständig. Sinn und Zweck der Norm spreche dafür, dem Betriebsrat ein Initiativrecht bei der Abberufung zu zubilligen. Zwei Beisitzer für jede Seite würden genügen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Gründe wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen diesen der Arbeitgeberin am 18.09.2019 zugestellten Beschluss richtet sich ihre Beschwerde, die sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 02.10.2019 eingegangenen Schriftsatz eingelegt und zugleich begründet hat. Der Betriebsrat, dem die Beschwerdebegründung am 16.10.2019 zugestellt worden ist, hat mit einem beim Landesarbeitsgericht am 30.10.2019 eingegangenen Schriftsatz Anschlussbeschwerde hinsichtlich der Zahl der Beisitzer eingelegt

Die Arbeitgeberin rügt auch im Beschwerdeverfahren eine ordnungsgemäße Beschlussfassung und bestreitet, dass die Einladung zur Betriebsratssitzung vom 03.09.2019 schon vor dem 30.08.2019 den entsprechenden Tagesordnungspunkt 9 v...

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