Entscheidungsstichwort (Thema)

Konkludenter Antrag der Partei auf Feststellung des Gegenstandswertes bei Einwendungen nach § 11 RVG. Aussetzung des Kostenfestsetzungsverfahrens bei Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wendet sich eine Partei gegen einen Kostenfestsetzungsantrag - mit dem ihr Prozessbevollmächtigter nach § 11 Abs. 5 RVG die Vergütung gegen sie als seine Partei festsetzen lassen möchte - mit der Begründung, ihr Prozessbevollmächtigter habe bei der Berechnung der Anwaltsgebühren einen unzutreffenden Gegenstandswert zugrunde gelegt, liegt darin in der Regel ein konkludenter Antrag auf förmliche Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren gemäß § 33 Abs. 1 Alt. 1 RVG.

2) Über diesen Antrag können die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger mangels eigener Zuständigkeit nicht im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens selbst entscheiden, vielmehr hat die Festsetzung des Gegenstandswerts durch verbindliche Entscheidung im Verfahren nach § 63 GKG, § 33 RVG zu erfolgen.

Das Kostenfestsetzungsverfahren ist nach § 11 Abs. 4 RVG, § 148 ZPO auszusetzen und eine richterliche Entscheidung über den Antrag auf Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren anzuregen (vgl. BGH 27. März 2014 - IX ZB 52/13, Rn. 3 - 6).

 

Normenkette

RVG § 11 Abs. 5, 4; ZPO § 148; RVG § 33 Abs. 1 Alt. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Neuruppin (Entscheidung vom 20.07.2020; Aktenzeichen 5 Ca 711/19)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 20. Juli 2020 - 5 Ca 711/19 - aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, an die Rechtspflegerin des Arbeitsgerichts zurückverwiesen.

3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts werden nicht erhoben.

4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beklagte wendet sich mit der Beschwerde gegen die Höhe der auf Antrag ihres ehemaligen Prozessbevollmächtigten gegen sie festgesetzten Gebühren.

Die Parteien des Rechtsstreits stritten über die Wirksamkeit mehrere Kündigungen und Vergütungsansprüche. Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2020 hat der Klägervertreter mitgeteilt, dass er die Beklagte nicht mehr vertrete. Mit Schriftsatz vom 11. Februar 2020 hat er um eine Streitwertabsichtserklärung und mit Schriftsatz vom 19. Februar 2020 um einen entsprechenden Beschluss gebeten.

Das Arbeitsgericht hat sodann bei der im Beschluss vom 26. März 2020 vorgenommenen Gegenstandswertbestimmung für den Kündigungsschutzantrag in der Klageschrift 6.300 Euro, den Antrag auf Urlaubsabgeltung 678,44 Euro, den zweiten Kündigungsschutzantrag 2.100 Euro und für den Monat August weitere 2.100 Euro angesetzt. Einen Gesamtgegenstandswert hat das Arbeitsgericht nicht gebildet. Der Beschluss ist durch das Gericht nicht an die Beklagte versandt worden. Er war zudem nicht mit einer Rechtmittelbelehrung versehen.

Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2020 hat der Beklagtenvertreter die Festsetzung der Vergütung gegen die eigene Partei beantragt, und zwar aus einem Gegenstandswert in Höhe von 11.178 Euro. Er habe am 3. Februar 2020 das Mandat niedergelegt. Am 3. Januar 2020 habe er noch eine umfangreiche Stellungnahme an das Gericht gefertigt, was der Aktenlage entspricht.

Hiergegen hat sich die Beklagte mit Schriftsatz vom 29. Mai 2020 zur Wehr gesetzt. Ihr ehemaliger Prozessbevollmächtigter habe am 3. Januar 2020 seine Arbeit eingestellt. Seitdem versuche sie allein, mit dem Klägervertreter eine Klärung herbeizuführen. Dem Schriftsatz hat sie eine Vorschussrechnung des Beklagtenvertreters vom 3. Januar 2020 beigefügt, die sie bereit wäre zu begleichen. In dieser war der Beklagtenvertreter von einem vorläufigen Gegenstandswert in Höhe von 4.878,44 Euro ausgegangen.

Die Beklagte hat mit einem bei dem Arbeitsgericht am 7. Juli 2020 eingegangenen Schriftsatz "Einspruch gegen den Wert und den Herr L. verlangt" eingelegt. Er sei nicht mehr für sie tätig gewesen und der Gegenstandswert von 11.000 Euro stimme auch nicht.

Das Arbeitsgericht hat gegen die Beklagte am 20. Juli 2020 antragsgemäß 1.889,01 Euro nebst Zinsen festgesetzt. Der Antragsteller sei bei der Berechnung vom zutreffenden Gegenstandswert ausgegangen. Außerdem sei nach dem vorgetragenen Geschehensablauf erkennbar, dass dieser jedenfalls bis zum 3. Februar 2020 für die Beklagte tätig gewesen sei.

Die Beklagte hat gegen den ihr am 23. Juli 2020 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss mit einem am 30. Juli 2020 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und auch diese damit begründet, dass der "Streitwert von 11.000 Euro" nicht korrekt sei und der Antragsteller für sie ab dem 3. Januar 2020 nicht mehr tätig gewesen sei. Sie könne das Geld in den schweren Zeiten nicht von den Bäumen pflücken.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Antragsteller ist nach Eingang der Akten beim Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen worden, d...

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