Entscheidungsstichwort (Thema)
Angemessenheit der Sachverständigenvergütung. Erforderlicher Zeitaufwand bei Sachverständigenvergütung. Berechtigter einer Sachverständigenvergütung. Spielraum des Sachverständigen bei Vergütungsfestlegung. Vollständige Prüfung der Vergütungsfestsetzung im Beschwerdeverfahren. Vier Arbeitsschritte zur Prüfung des erforderlichen Zeitaufwands des Sachverständigen
Leitsatz (amtlich)
1. Die Sachverständigenvergütung kann der beauftragte Sachverständige beanspruchen, nicht dessen Arbeitgeberin.
Daran ändert sich nicht dadurch etwas, dass § 1 Abs. 2 JVEG die Geltung des Gesetzes auch auf Behörden und sonstige öffentliche Stellen erstreckt und bei deren Bestellung diesen und nicht den tatsächlich tätig gewordenen Angehörigen der Behörde den Vergütungsanspruch zuerkennt.
Eine solche Konstellation ist nicht gegeben, wenn nicht eine (Universitäts-)Klinik, sondern ein bei ihr beschäftigter Arzt im Beweisbeschluss benannt ist (Anschluss an LSG Berlin-Brandenburg 6. Dezember 2012 - L 2 SF 105/12 E, Rn. 4 ff., MEDSACH 2013, 125).
2. Bei der Feststellung des für die Erstellung des Gutachtens erforderlichen Zeitaufwands sind insbesondere die Angaben der Sachverständigen zu berücksichtigen. Abhängig vom Grand der Objektivierbarkeit können zudem anerkannte Durchschnittswerte Berücksichtigung finden, um die Angaben der Sachverständigen zu verifizieren.
a. Die Hinweise der Sachverständigen zum zeitlichen Umfang ihrer Tätigkeit legen die zeitliche Obergrenze fest, die vergütet werden kann.
b. Ausgehend von den Angaben der Sachverständigen ist anhand bestimmter Erfahrungswerte festzustellen, ob signifikante Abweichungen vorliegen. Ist das der Fall, ist eine eingehendere Überprüfung erforderlich. Dabei ist der Spielraum der Sachverständigen nicht zu eng zu bemessen.
Allerdings ist dieser differenziert nach dem jeweiligen Verfahrensschritt anzusetzen, und zwar in Abhängigkeit von der Objektivierbarkeit des Arbeitsaufwands.
Normenkette
JVEG § 1 Abs. 2, §§ 4, 8-9, 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1, § 24
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 11.02.2019; Aktenzeichen 20 Ca 10437/16) |
Tenor
1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. Februar 2019 - 20 Ca 10437/16 - wird zurückgewiesen.
2. Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 11. Februar 2019 - 20 Ca 10437/16 - teilweise abgeändert und zugunsten des Beschwerdeführers eine Vergütung in Höhe von insgesamt 3.180,36 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin und der Beschwerdeführer wenden sich mit ihren Beschwerden gegen die Berechnung des erstattungsfähigen Zeitaufwands für ein durch den Beschwerdeführer erstelltes Sachverständigengutachten. Die Beschwerdeführerin ist zudem der Ansicht, dass die Vergütung ihr und nicht dem Beschwerdeführer zustehe.
Der Beschwerdeführer, welcher bei dem Universitätsklinikum E (der Beschwerdeführerin) beschäftigt ist, ist durch Beschluss vom 13. Oktober 2017 durch das Arbeitsgericht mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt worden. Das Gutachten datiert vom 2. Mai 2018.
Am 28. Mai 2018 legte der Direktor der psychiatrischen und psychotherapeutischen Klinik der Beschwerdeführerin, Prof. Dr. J. A, gegenüber dem Gericht Rechnung. Abgerechnet wurden 4.037,16 Euro. Zugrunde gelegt worden ist dabei ein Zeitaufwand im Umfang von 32,2 Stunden. Zur Begründung ist ausgeführt worden, die Stundenzahl sei durch den Umfang des Gutachtens und den erheblichen Aufwand gerechtfertigt.
Abgerechnet worden ist wie folgt:
Aktenstudium |
420 Minuten (7 Std.) |
Literaturstudium |
80 Minuten (1,3 Std.) |
Exploration |
120 Minuten (2 Std.) |
Untersuchung |
130 Minuten (2,16 St) |
Ausarbeitung |
720 Minuten (12 Std.) |
Diktat und Durchsicht |
522 Minuten (8,7 Std.) |
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---------------------- |
Summe |
1.992 Minuten |
Ärztliches Honorar (M3 a 100 Euro/Std.) |
33,2 |
100,00 |
3.320,00 Euro |
Schreibgebühren: Anzahl der Anschläge 44907 |
45 |
0,90 |
40,50 Euro |
Kopien (1-50) |
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25,00 Euro |
Kopien ab 50 |
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1,20 Euro |
Zwischensumme |
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3.386,70 Euro |
19 % MwSt. |
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643,47 Euro |
Summe |
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4.030,17 Euro |
Portoausgaben |
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6,99 Euro |
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Endsumme |
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4.037,16 Euro |
Mit Verfügung vom 12. Juni 2018 hat das Arbeitsgericht (Rechtspfleger) darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Vergütung nach § 1 Abs. 1 Satz 3 JVEG dem beauftragten Gutachter zustehe. Es wurden 20 Zeitstunden als angemessen angesehen.
Mit Schreiben vom 28. Juni 2018 erinnerte die Beschwerdeführerin an den Ausgleich der Honorarforderung. Das Arbeitsgericht wies nochmals darauf hin, dass Anspruchsinhaber der Gutachter sei. Daher müsse der Beschwerdeführer als beauftragter Sachverständiger die erbetene Rechnungskorrektur und Festsetzung nach § 4 JVEG beantragen. Mit Schreiben vom 13. Juli 2018 erfolgte unter dem Briefkopf des Klinikums eine weitere Aufforderung zur Zahlung des geltend gemachten Betrags auf ein Konto des Klinikums. Das Schreiben war nun sowohl ...