Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstandswert bei Haupt- und Hilfsantrag mit dem demselben Anspruch. Wirtschaftliche Identität bei Kündigungsschutzklage und hilfsweise geltend gemachtem Anspruch auf Nachteilsausgleich
Leitsatz (amtlich)
Zwischen einer Kündigungsschutzklage und einem hilfsweise geltend gemachten Nachteilsausgleichanspruch besteht wirtschaftliche Identität; die Werte der Anträge sind nicht zusammenzurechnen (Anschluss an LAG Baden-Würtemberg, Beschluss vom 14.5.2012 - 5 Ta 52/12).
Normenkette
GKG § 45; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; GKG § 42 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 07.11.2018; Aktenzeichen 38 Ca 16444/17) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 07.11.2018 - 38 Ca 16444/17 - teilweise geändert und unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen ein Gegenstandswert von 73.529,96 EUR festgesetzt.
II. Die Gebühr Nr. 8614 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz wird auf die Hälfte ermäßigt.
Gründe
I.
Der Kläger hat sich mit seiner Klage u.a. gegen eine betriebsbedingte Kündigung gewandt und hilfsweise die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Nachteilsausgleichs nach § 113 BetrVG in Höhe von 73.529,96 EUR begehrt. Der Rechtsstreit wurde durch gerichtlichen Vergleich beigelegt.
Das Arbeitsgericht hat den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten durch Beschluss vom 07.11.2018 auf 31.512,84 EUR, dem Vierteljahresverdienst des Klägers, festgesetzt, wobei es den Antrag auf Zahlung des Nachteilsausgleichs unbewertet gelassen hat.
Gegen diesen ihnen am 14.11.2018 zugestellten Beschluss richtet sich die am 15.11.2018 eingelegte Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit der sie die Festsetzung eines Gegenstandswerts von insgesamt 105.042,80 EUR begehren. Sie sind der Auffassung die Werte der Bestandsstreitigkeit und des Antrags auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs müssten zusammengerechnet werden.
II.
Die gemäß § 33 Abs. 2, 3 RVG statthafte und form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nur zum Teil begründet.
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers bestimmt sich nach der Höhe des eingeklagten Nachteilsausgleichsanspruchs, während sich der weitere mit der Beschwerde geltend gemachte Wertansatz als unberechtigt erweist.
1. Der Gegenstandswert bestimmt sich in einem gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften, § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG. Nach § 45 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 GKG wird der Wert eines hilfsweise geltend gemachten Anspruchs mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht oder er eine vergleichsweise Erledigung erfährt. Betreffen Haupt- und Hilfsantrag denselben Gegenstand, ist hingegen nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend, § 45 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 GKG. Dabei ist unter dem Begriff "Gegenstand" nicht der Streitgegenstand i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu verstehen. Es handelt sich vielmehr um einen selbständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert. Eine Zusammenrechnung hat dort zu erfolgen, wo eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht und nicht ein wirtschaftlich identisches Interesse betroffen ist. Wirtschaftliche Identität liegt vor, wenn die in ein Eventualverhältnis gestellten Ansprüche nicht in der Weise nebeneinander bestehen können, dass die vom Kläger gesetzte Bedingung fortgedacht allen stattgegeben werden könnte, sondern dass die Verurteilung gemäß dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zöge (vgl. BGH 12. September 2013 - I ZR 61/11, Rn. 6, juris; LAG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 14.12.2018 - 17 Ta (Kost) 6105/18 und 26 Ta (Kost) 6136/18).
2. Es ist umstritten, ob zwischen einer Kündigungsschutzklage und einem hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs eine wirtschaftliche Identität in dem genannten Sinn besteht und die Werte deshalb zusammenzurechnen sind oder nicht. So wird angenommen, die Anträge beträfen nicht denselben Gegenstand, weil der Nachteilsausgleichsanspruch allein ein betriebsverfassungsrechtswidriges Verhalten des Arbeitgebers sanktioniere und es sich nicht um einen Abfindungsanspruch i.S.d. § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG handele, dessen Wert nicht zu berücksichtigen sei (LAG Hamm, Beschluss vom 18.07.2018 - 8 Ta 145/18 - juris; LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 2610.2009 - 5 Ta 176/09 - juris). Demgegenüber wird eine Zusammenrechnung der Werte mit der Begründung abgelehnt, der Nachteilsausgleich trete wirtschaftlich an die Stelle des Vergütungsanspruch (LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 14.05.2012 - 5 Ta 52/12 - juris).
3. Die Beschwerdekammer folgt der zuletzt genannten Auffassung. Zwar handelt es sich bei dem Anspruch auf Nachteilsausgleich nicht um eine Abfindung i.S.d. § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG; eine Wertaddition ist nach dieser Vorschrift daher nicht ausgeschlossen. Der Kündigungsschu...