Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenstandsbegriff im zivilrechtlichen Kostenrecht. Wirtschaftliche Identität bei mehreren Streitgegenständen. Kein Nebeneinander von Kündigungsschutzklage und Zahlung auf Nachteilsausgleich im Kostenrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei dem Begriff des Gegenstands in § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG handelt es sich um einen selbständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert. Eine Zusammenrechnung hat dort zu erfolgen, wo eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht und nicht ein wirtschaftlich identisches Interesse betroffen ist.

Wirtschaftliche Identität liegt vor, wenn die in ein Eventualverhältnis gestellten Ansprüche nicht in der Weise nebeneinander bestehen können, dass - die vom Kläger gesetzte Bedingung fortgedacht - allen stattgegeben werden könnte, sondern dass die Verurteilung gemäß dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zöge (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 14. Dezember 2018 - 17 Ta (Kost) 6105/18 und 26 Ta (Kost) 6136/18; BGH 12. September 2013 - I ZR 61/11, Rn. 6).

2. Der Kündigungsschutzantrag und der (Hilfs-)Antrag auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs können nicht nebeneinander bestehen; wird der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses festgestellt, besteht kein Anspruch auf Nachteilsausgleich. Es besteht ein wirtschaftlich identisches Interesse.

 

Normenkette

GKG §§ 39, 45, 42 Abs. 2 S. 2, Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 07.11.2018; Aktenzeichen 38 Ca 16446/17)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 7. November 2018 - 38 Ca 16446/17 - teilweise geändert und unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen ein Gegenstandswert von 62.209,23 Euro festgesetzt.

2. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts vom 16. November 2018 wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

I.

Der Kläger hat sich mit seiner Klage ua gegen eine betriebsbedingte Kündigung gewandt und hilfsweise die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung eines Nachteilsausgleichs nach § 113 BetrVG in Höhe von 62.209,23 Euro begehrt. Der Rechtsstreit wurde durch gerichtlichen Vergleich beigelegt.

Das Arbeitsgericht hat den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers durch Beschluss vom 7. November 2018 auf 37.702,56 Euro (Vierteljahresverdienst des Klägers) festgesetzt und dabei den Antrag auf Zahlung des Nachteilsausgleichs unbewertet gelassen hat.

Gegen diesen ihnen am 14. November 2018 zugestellten Beschluss richtet sich die am 19. November 2018 eingegangene Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit der sie zusätzliche die Festsetzung eines Gegenstandswerts für den Hilfsantrag in Höhe von 62.209,23 Euro begehren. Sie sind der Auffassung, auch der Nachteilsausgleich sei zu bewerten und die Werte der Bestandsstreitigkeit und des Antrags auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs müssten zusammengerechnet werden. Gegen den Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts vom 16. November 2018 haben sie am 23. November 2018 mit derselben Begründung erneut Beschwerde eingelegt.

II.

Die Beschwerde vom 15. November 2018, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 14. Dezember 2018 nicht abgeholfen hat, ist zulässig und teilweise begründet. Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers bestimmt sich nach der Höhe des eingeklagten Nachteilsausgleichsanspruchs. Der Wert für den Kündigungsschutzantrag ist nicht hinzuzurechnen.

1) Der Gegenstandswert bestimmt sich in einem gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften, § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG. In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist, § 39 Abs. 1 GKG. Die Werte von Haupt- und Hilfsanträgen sind zusammenzurechnen, soweit auch über den Hilfsantrag eine Entscheidung ergeht, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG, oder der Rechtsstreit auch insoweit durch Vergleich erledigt wird, § 45 Abs. 4 GKG. Dies gilt dann nicht, wenn die Anträge denselben Gegenstand betreffen; dann ist nur der höhere Wert maßgebend, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG. Unter dem Begriff "Gegenstand" in § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG ist nicht der Streitgegenstand iSd § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu verstehen. Der "Gegenstand" iSd. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG ist nicht mit dem Streitgegenstand in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO identisch. Ob unterschiedliche (prozessuale) Streitgegenstände vorliegen, ist danach für die Frage des Additionsverbots nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG unerheblich. Bei dem Begriff des Gegenstands in § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG handelt es sich um einen selbständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert. Eine Zusammenrechnung hat dort zu erfolgen, wo eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht und nicht ein wirtschaftlich identisches Interesse betroffen ist. Wirtschaftliche Identität liegt vor,...

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