Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenrechtlicher Begriff des Gegenstands nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG. Wirtschaftliche Identität von nebeneinander nicht denkbaren Ansprüchen. Gemeinsames wirtschaftliches Interesse bei Kündigungsschutzklage und Nachteilsausgleich
Leitsatz (amtlich)
1. Bei dem Begriff des Gegenstands in § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG handelt es sich um einen selbständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert.
Eine Zusammenrechnung hat dort zu erfolgen, wo eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht und nicht ein wirtschaftlich identisches Interesse betroffen ist.
Wirtschaftliche Identität liegt vor, wenn die in ein Eventualverhältnis gestellten Ansprüche nicht in der Weise nebeneinander bestehen können, dass - die vom Kläger gesetzte Bedingung fortgedacht - allen stattgegeben werden könnte, sondern dass die Verurteilung gemäß dem einen Antrag notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags nach sich zöge (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 14. Dezember 2018 - 17 Ta (Kost) 6105/18 und 26 Ta (Kost) 6136/18; BGH 12. September 2013 - I ZR 61/11, Rn. 6).
2. Der Kündigungsschutzantrag und der (Hilfs-)Antrag auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs können nicht nebeneinander bestehen; wird der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses festgestellt, besteht kein Anspruch auf Nachteilsausgleich. Es besteht kostenrechtlich ein wirtschaftlich identisches Interesse.
3. Daran halten die Kostenkammern des Landesarbeitsgericht fest.
Soweit die Beschwerde die Entscheidung des BAG vom 25. März 2021 (2 AZR 508/19, Rn. 23) für ihre Rechtsauffassung nutzbar machen möchte, steht dem bereits die Begründung des Bundesarbeitsgerichts entgegen.
Daraus ergibt sich erkennbar, dass das Bundesarbeitsgericht andere als die im Kostenrecht maßgebenden Gesichtspunkte zugrunde gelegt hat. Solche waren für die Entscheidung auch nicht relevant.
Normenkette
GKG §§ 39, 45, 63 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 19.05.2021; Aktenzeichen 42 Ca 2450/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. Mai 2021 - 42 Ca 2450/18 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Parteien haben erst- und zweitinstanzlich mit einem Hauptantrag über die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten. Daneben hat die klagende Partei erstinstanzlich einen allgemeinen Feststellungsantrag angekündigt. Mit einem weiteren Hauptantrag hat sie Auskunft darüber begehrt, welchem Betriebsteil sie zugeordnet gewesen und auf wen dieser Betriebsteil übergegangen sei. Außerdem hat die klagende Partei Hilfsanträge gestellt, auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs und auf Abgabe eines Angebots auf Abschluss eines Fortsetzungsvertrages. Darüber hinaus hat sie erstinstanzlich einen Antrag auf Weiterbeschäftigung gestellt. Die klagende Partei hat das Klageziel insoweit mit folgendem Antrag verfolgt:
"Für den Fall, dass der Beklagte im Gütetermin nicht zu Protokoll erklärt, dass er die Klagepartei im Falle des Obsiegens in der 1. Instanz bis zur Rechtskraft vertragsgerecht weiter beschäftigt und der Gütetermin erfolglos bleibt, wird folgender Antrag gestellt:
3. Der Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugbegleiter auf den Mustern der A 320 Familie/A330 mit der Zusatzfunktion Cabin Crew Member B (CCM B) im Flugbetrieb der Insolvenzschuldnerin weiter zu beschäftigen."
In der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht (Bl. 446 d.A.) hat der Klägervertreter in diesem Fall - anders als in anderen, in denen auch schon einmal ausdrücklich das Gegenteil erklärt worden ist - angegeben, dass es sich dabei um einen unbedingten Antrag handeln solle.
Das Arbeitsgericht hat die Klage hinsichtlich sämtlicher Anträge abgewiesen. Es hat den "Wert des Streitgegenstandes" in dem Urteil auf 30.820 Euro festgesetzt. Das durchschnittliche Bruttoeinkommen der klagenden Partei betrug 2.982 Euro. Die klagende Partei hat das Urteil, soweit es den Weiterbeschäftigungsantrag betrifft, mit der Berufung nicht angegriffen.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Nichtzulassungsbeschwerde der klagenden Partei als unzulässig verworfen und die Revision zurückgewiesen.
Das Arbeitsgericht hat den Gesamtgebührenstreitwert mit Beschluss vom 19. Mai 2021 auf 22.365 Euro festgesetzt. Dabei hat es den Weiterbeschäftigungsantrag mit einem Bruttoeinkommen berücksichtigt, den Auskunftsantrag mit ½ Bruttoeinkommen und den Nachteilsausgleichsantrag mit 17.892 Euro. Den Wert für den Kündigungsschutzantrag hat es nicht hinzugerechnet.
Die Prozessbevollmächtigten der klagenden Partei vertreten im Rahmen der Streitwertbeschwerde, dass eine Änderung der Entscheidung über den Streitwert nicht mehr zulässig sei, da die Frist des § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG verstrichen sei. Es sei insoweit nicht relevant, ob die Entscheidung durch gesonderten Beschluss oder im Rahmen des erstinstanzlichen Urteils getroffen worden sei. Das Urteil des BAG sei auch länger als sechs Mo...