Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechte des Sprecherausschusses bei Einleitung einer Betriebsratswahl vor der Sprecherausschusswahl. Eigenschaften des leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 Satz 3 BetrVG. Pflicht zur Prüfung der Gewerkschaftszugehörigkeit durch Wahlausschuss. Zulassung eines Wahlvorschlags als Arbeitnehmer-Wahlvorschlag. Entscheidung des Wahlausschusses über Prozedere der Wahl nach pflichtgemäßem Ermessen
Leitsatz (amtlich)
1. Wird die Betriebsratswahl vor der Sprecherausschusswahl eingeleitet, so hat der Betriebsratswahlvorstand den Sprecherausschuss gemäß § 18 Absatz 4 Satz 1 BetrVG entsprechend Absatz 1 Satz 1 erster Halbsatz zu unterrichten und mit diesem das Zuordnungsverfahren für die leitenden Angestellten durchzuführen, im umgekehrten Fall der Sprecherausschusswahlvorstand mit dem Betriebsrat (§ 18 Absatz 4 Satz 3 BetrVG).
Das Zuordnungsverfahren kann in diesem Falle vom erstbestellten Wahlvorstand nicht mit dem später bestellten Wahlvorstand fortgesetzt werden, wenn der später bestellte Wahlvorstand erst nach Einleitung der Wahl durch den erstbestellten Wahlvorstand bestellt wurde.
2. Zur Eigenschaft als leitendener Angestellter gemäß § 5 Absatz 3 Nummer 3 BetrVG in einem Konzernunternehmen mit Matrixstruktur.
3. Der Wahlvorstand hat auch die Gewerkschaftseigenschaft zu prüfen. Denn Arbeitnehmervereinigungen, bei denen sie zu verneinen ist, haben kein Wahlvorschlagsrecht, von ihnen eingereichte Wahlvorschläge darf der Wahlvorstand nicht zur Betriebsratswahl zulassen.
4. Ist der Wahlvorschlag einer Gewerkschaft zugleich mit einer ausreichenden Anzahl an Stützunterschriften eingereicht worden, kann er nach rechtzeitigem Rückzug als gewerkschaftlicher Wahlvorschlag stattdessen als Arbeitnehmer-Wahlvorschlag zugelassen werden, wenn nicht von einer Täuschung der die Stützunterschriften leistenden Beschäftigten auszugehen ist.
5. Der in § 24 Absatz 3 WO verwandte Begriff "vom Hauptbetrieb räumlich weit entfernt" deckt sich nicht mit dem in § 4 BetrVG enthaltenen gleichlautenden Begriff.
Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, ob es den Arbeitnehmern der außerhalb des Hauptbetriebes liegenden Betriebsteile oder Kleinstbetriebe unter Berücksichtigung der bestehenden oder gegebenenfalls vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellenden zusätzlichen Verkehrsmöglichkeiten zumutbar ist, im Hauptbetrieb persönlich ihre Stimme abzugeben.
Ob in derartigen Fällen entweder in allen Betriebsteilen oder Kleinstbetrieben eigene Wahllokale einrichtet oder für die beschäftigten Arbeitnehmer die schriftliche Stimmabgabe beschlossen wird, hat der Wahlvorstand nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden.
Normenkette
BetrVG § 5 Abs. 3, §§ 18a, 19; BetrVGDV1WO § 24 Abs. 3, § 3; ArbGG § 89 Abs. 1, § 92 Abs. 1 S. 2; ZPO § 377 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 13.02.2019; Aktenzeichen 37 BV 4756/18) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 4) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 13.02.2019 - 37 BV 4756/18 - wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1) bis 4) betreiben die Anfechtung der Wahl des Beteiligten zu 5), der der 17 Mitglieder umfassende Betriebsrat der Beteiligten zu 6) ist. Die Beteiligte zu 6) betreibt ein Unternehmen für Erzeugung, Distribution und Vertrieb von Strom und Wärme mit circa 1700 Beschäftigten, die mit Ausnahme von 4 in Hamburg ansässigen Beschäftigten an verschiedenen Standorten in Berlin tätig sind.
Der für die Betriebsratswahl 2018 gebildete Wahlvorstand leitete die Wahl, die vom 01.03.2018 bis 13.03.2018 stattfand, mit einem Wahlausschreiben vom 17.01.2018 (Blatt 55 bis 57 der Akte) ein. Darin war die Frist für die Einreichung von Vorschlagslisten auf den 31.01.2018, 16:00 Uhr festgesetzt. Auf den übrigen Inhalt des Wahlausschreibens wird verwiesen. Für den Standort HKW Wilmersdorf wurde unter dem 30.01.2018 durch den Wahlvorstandsvorsitzenden und seinen Stellvertreter, die Zeugen A und B, eine Ergänzung des Wahlausschreibens verfasst (Anlage K 2, Blatt 58 der Akte).
Der Beteiligte zu 1), der wie die Beteiligten zu 2) bis 4) wahlberechtigter Arbeitnehmer der Beteiligten zu 6) ist, reichte zusammen mit einem weiteren wahlberechtigten Arbeitnehmer mit Anschreiben vom 25.01.2018 (Anlage BR 5, Blatt 138 der Akte) am 26.01.2018, 10:08 Uhr, eine Wahlvorschlagsliste mit dem Kennwort "Gewerkschaft V und V - DIE KRAFT DAHINTER" ein, wobei unter anderem betreffend die Beteiligten zu 1) und 2) eine Vollmacht des Vorsitzenden der Gewerkschaft Verwaltung und Verkehr (im Folgenden: GVV; Anlage BR 6 - Blatt 140 der Akte) beigefügt war. Die Vorschlagsliste (Anlage BR 6, Blatt 491 ff der Akte) nennt die Beteiligten zu 1) und 2) als Listenvertreter und enthielt die Namen von 39 Kandidaten und die Stützunterschriften von 60 wahlberechtigten Arbeitnehmern. Mit Schreiben vom 30.01.2018 (Anlage K 11, Blatt 72 der Akte) teilten die Zeugen A und B unter anderem den Beteiligten zu 1) und 2) mit, dass der Wahlvorschlag der GV...