Entscheidungsstichwort (Thema)
Videoüberwachung. Ermessensüberschreitung
Leitsatz (amtlich)
Es stellt zumindest eine Überschreitung der Grenzen des Ermessens dar, wenn eine Einigungsstelle trotz der in der Erlaubnis für den Betrieb einer öffentlichen Spielbank angeordneten Videoüberwachung und -aufzeichnung das Vorliegen eines dringenden Verdachts zur Voraussetzung der Live-Betrachtung und Auswertung der Aufzeichnungen macht und eine lokale Installation der Systeme der Videoüberwachung vorschreibt.
Normenkette
BetrVG § 76 Abs. 5 Sätze 3-4, § 87 Abs. 1 Nr. 6; SpBG Berlin § 10a
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 16.02.2011; Aktenzeichen 60 BV 15369/10) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 16.02.2011 – 60 BV 15369/10 – geändert.
2. Der Einigungsstellenspruch „Betriebsvereinbarung über die Anwendung, Änderung und Erweiterung der Systeme der Videoüberwachung” vom 25.09.2010 ist unwirksam.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellenspruchs über eine Videoüberwachung der Räume der Arbeitgeberin, in denen diese eine öffentliche Spielbank betreibt. Die Erlaubnis zu diesem Betrieb wurde der Arbeitgeberin durch einen auf der Grundlage des Gesetzes über die Zulassung öffentlicher Spielbanken in Berlin (SpielbG – SpBG) vom 8. Februar 1999 (GVBl. S. 70) erlassenen Bescheid der Senatsverwaltung für Finanzen vom 1. Juli 2005 (Abl. Bl. 117 – 123 d. A.) erteilt. Darin ist in § 9 unter der Überschrift „Videoüberwachung und -aufzeichnung” geregelt:
„(1) Der Spielbankunternehmer hat den Spielverlauf und die hiermit verbundenen Kassen- und Zählvorgänge durch Videokameras zu überwachen (Videoüberwachung) und auf geeigneten Datenträgern aufzuzeichnen (Videoaufzeichnung). Die Maßnahme dient der Vermeidung von Manipulationen und der korrekten Erfassung des Bruttospielertrages.
(2) Die Videoüberwachung umfasst
- in den Spielsälen die Raumüberwachung,
- im Klassischen Spiel die einzelnen Spieltische,
- im Automatenspiel einzelne Automaten und Automatengruppen,
- die Kassen,
- die Zählräume,
- die Transportwege für ungezähltes Geld.
(3) Die Videoaufzeichnungen sind jeweils für die Dauer von mindestens sieben Tagen aufzubewahren.
Die Videoaufzeichnungen sind auf Ersuchen der Steueraufsicht heranzuziehen zur Klärung von Kulanzzahlungen, Streitsätzen, Jetondiebstahl und ähnlich gelagerten Fällen. Zu diesem Zweck können die aufsichtsführenden Überwachungskräfte die Videoaufzeichnungen einsehen und auswerten. In diesen Fällen erfolgt die Löschung erst nach Freigabe durch die Steueraufsicht. Bei dem Verdacht auf Straftaten, insbesondere bei einer beabsichtigten oder erstatteten Strafanzeige dürfen die Videoaufzeichnungen nicht gelöscht werden; sie sind den Ermittlungsbehörden auf Verlangen zur Verfügung zu stellen.”
In der Begründung hierzu heißt es:
„Die Anordnung einer Videoüberwachung und -aufzeichnung entspricht in technischer Hinsicht dem zeitgemäßen Standard und ist bei der Ausstattung von Spielbanken international üblich. Eine entsprechende Ausstattung wird von den Gästen – insbesondere von den zahlreichen Gästen aus dem Ausland – in den Spielbanken einer Metropole ganz überwiegend erwartet. Die Anordnung ist wegen der Manipulationsgefahren im Spielbankbetrieb auch aus Sicht der Spielbankaufsicht geboten; sie schafft zugleich ein unerlässlich gewordenes Aufklärungsinstrument für die Steueraufsicht.”
Zur Schaffung bundeseinheitlicher Rahmenbedingungen für die Veranstaltung von Glücksspielen schlossen die Länder 2007 den Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlücksSpStVertr – GlüStV), zu dessen Zielen es nach seinem § 1 Nr. 4 gehört „sicherzustellen, dass Glücksspiele ordnungsgemäß durchgeführt, die Spieler vor betrügerischen Machenschaften geschützt und die mit Glücksspielen verbundene Folge- und Begleitkriminalität abgewehrt werden.” Diesem Staatsvertrag stimmte das Abgeordnetenhaus von Berlin mit Landesgesetz über das öffentliche Glücksspiel (GlüStVG) vom 15. Dezember 2007 zu (GVBl. S. 604). Durch Gesetz vom 3. März 2010 (GVBl. S. 124) wurde dann in das SpBG folgende Vorschrift eingefügt:
„§ 10a |
Visuelle Überwachung |
(1) Der Spielbankunternehmer hat visuelle Überwachungsmaßnahmen durch laufende videotechnische Aufzeichnung und Speicherung des Geschehens in den Spielsälen, an den Spieltischen und Spielautomaten, im Kassenbereich und in den Zählräumen durchzuführen. Die visuelle Überwachung hat grundsätzlich die Erkennbarkeit der beteiligten Personen zu ermöglichen.
(2) Die Aufzeichnung und Speicherung dürfen ausschließlich für Zwecke der Gewährleistung des ordnungsgemäßen Spielbetriebs, zur korrekten Erfassung de Bruttospielertrags, zur Verhinderung und Aufklärung von Straftaten sowie zur Klärung von Streitfällen mit Gästen verwendet werden.
(3) Die an den Spieltischen aufzuzeichnenden Daten sind für die Dauer von drei Tagen, im Übrigen für...