Entscheidungsstichwort (Thema)
Örtliche Zuständigkeit bei Beitragsklage gegen fingierten Bürgen
Leitsatz (amtlich)
Es ist keinesfalls offensichtlich gesetzwidrig, gem. § 27 Abs. 1 Satz 1 VTV die örtliche Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Wiesbaden anzunehmen für die Inanspruchnahme eines Unternehmers als Bürgen gem. § 1a Satz 1 AEntG (nunmehr: § 14 AEntG 2009) wegen der von seinem Auftragnehmer der ULAK geschuldeten Sozialkassenbeiträge.
Normenkette
AEntG § 1a S. 1; VTV § 27; ArbGG § 48 Abs. 2 S. 1 Nr. 2; ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
ArbG Eberswalde (Entscheidung vom 22.01.2009; Aktenzeichen 1 Ca 375/09) |
Tenor
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Wiesbaden bestimmt.
Gründe
1. Der Kläger nimmt die Beklagte, ein Unternehmen mit Sitz im Bezirk des Arbeitsgerichts Eberswalde, aus sog. Bürgenhaftung für Mindestbeiträge eines von der Beklagten beauftragten polnischen Bauunternehmens für die Zeit von August bis Dezember 2005 in Anspruch.
Das dafür angegangene Arbeitsgericht Eberswalde hat sich durch Beschluss vom 22. Januar 2009 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Wiesbaden verwiesen. Dieses hat sich nach Anhörung der Parteien durch Beschluss vom 31. März 2009 seinerseits für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Eberswalde zurückverwiesen, das sich daraufhin zwecks Bestimmung des zuständigen Gerichts an das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg gewandt hat.
2. Die Voraussetzungen für die Durchführung eines Bestimmungsverfahrens nach §§ 36 Abs. 1 Nr. 6, 495 ZPO, § 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG sind erfüllt. Es haben sich zwei Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, rechtskräftig für örtlich unzuständig erklärt. Beide Beschlüsse sind gem. § 48 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG unanfechtbar. Das Gesuch um eine Bestimmung des zuständigen Gerichts kann auch durch eines der beteiligten Gerichte gestellt werden (BAG, Beschluss vom 01.03.1984 – 5 AS 5/84 – AP ZPO § 36 Nr. 35 zu II 2 der Gründe). Zur Entscheidung berufen ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO das LAG Berlin-Brandenburg, weil das zunächst mit der Sache befasste ArbG Eberswalde zu seinem Bezirk gehört.
3. Das Arbeitsgericht Wiesbaden ist als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen.
3.1 Der Beschluss des Arbeitsgerichtes Eberswalde vom 22. Januar 2009 ist aufgrund seiner Unanfechtbarkeit auch im Bestimmungsverfahren als verbindlich zugrunde zu legen. Nur dann, wenn eine Verweisung wegen krasser Rechtsverletzung offensichtlich unhaltbar ist, kommt eine Durchbrechung der gesetzlichen Bindungswirkung in Betracht (vgl. BAG, Beschluss vom 19.03.2003 – 5 AS 1/03 – BAGE 105, 305 = AP ZPO § 36 Nr. 59 zu I 1 der Gründe).
3.2 Der Verweisungsbeschluss des Arbeitsgerichts Eberswalde ist keinesfalls offensichtlich gesetzwidrig. Dagegen spricht bereits, dass auch diverse andere Arbeitsgerichte (z.B. ArbG Hannover, Beschluss vom 17.09.2003 – 12 Ca 472/03 – EzAÜG AEntG § 1a Nr. 3) im Anschluss an eine Stimme in der Literatur (Koberski/Asshoff/Hold, AEntG, 2. Aufl. 2002, § 1a R 31) mit näherer Begründung die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Wiesbaden angenommen haben. Diese Ansicht dürfte zudem sogar der Rechtslage entsprechen.
3.2.1 Gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 20. Dezember 1999 (VTV) ist Wiesbaden Erfüllungsort und Gerichtsstand für Ansprüche des Klägers gegen Arbeitgeber und deren Arbeitnehmer sowie für Ansprüche der Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegen den Kläger.
3.2.1.1 Grundlage für § 27 Abs. 1 Satz 1 VTV ist § 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ArbGG, der die in § 4 Abs. 2 TVG vorgesehene Schaffung gemeinsamer Einrichtungen der Tarifvertragsparteien verfahrensrechtlich flankiert. Aufgrund § 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ArbGG kann in einem Tarifvertrag die Zuständigkeit eines an sich örtlich unzuständigen Gerichts festgelegt werden für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus dem Verhältnis einer gemeinsamen Einrichtung der Tarifvertragsparteien zu den Arbeitnehmern oder Arbeitgebern. Dies umfasst auch Ansprüche gegen Dritte, die gemäß § 3 ArbGG vor den Gerichten für Arbeitssachen als Rechtsnachfolger von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer in Anspruch genommen werden können, was für Bürgen der Fall ist (dazu Schwab/Weth/Walker, ArbGG, 2. Aufl. 2008, § 3 R 16), da nach Sinn und Zweck des § 3 ArbGG genügt, dass der Dritte die Erfüllung eines arbeitsrechtlichen Anspruchs zusätzlich schuldet (BAG, Urteil vom 23.10.1990 – 3 AZR 23/90 – AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 18 zu II 1 der Gründe). Hierfür lässt sich in gleicher Weise an § 8 AEntG anknüpfen, der neben der internationalen auch die sachliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen in Streitigkeiten gegen ein Unternehmen begründet, das nach § 1a AEntG für die Erfüllung der tarifvertraglichen Beitragspflicht wie ein Bürge haftet (dazu BAG, Beschluss vom 11.09.2002 – 5 AZB 3/02 – BAGE 102, 343 = AP ArbGG 1979 § 2 Nr. 82 zu II 1 a und b der Gründe).
3.2.1.2 Allerdings regelt § 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ArbGG nicht ausdrücklic...