Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Streitwertfestsetzung nach dem GKG bei Entfallen der Gerichtsgebühren wegen Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich
Leitsatz (amtlich)
Entfallen die Gerichtsgebühren nach der Vorbemerkung 8 zu Teil 8 der Anlage 1 zum GKG, kommt eine Streitwertfestsetzung nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes nicht in Betracht.
Normenkette
GKG § 63; RVG § 33
Verfahrensgang
ArbG Eberswalde (Entscheidung vom 03.04.2017; Aktenzeichen 4 Ca 587/16) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Eberswalde vom 03.04.2017 - 4 Ca 587/16 - aufgehoben.
Gründe
Die im eigenen Namen des Prozessbevollmächtigten des Klägers erhobene Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung des Arbeitsgerichts Eberswalde ist zulässig (§ 68 Abs. 1 GKG) und führt zur Aufhebung der Streitwertfestsetzung.
1. Das Arbeitsgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss den Wert des Streitgegenstandes als Grundlage für die Berechnung der Gerichtsgebühren nach § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt, während eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG ausdrücklich nicht erfolgt ist.
2. Die Voraussetzungen für eine Streitwertfestsetzung nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes waren nicht gegeben, weil in dem Rechtsstreit Gerichtsgebühren nicht in Ansatz zu bringen sind.
a) Der Rechtsstreit wurde durch den vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg durch Beschluss vom 17.02.2017 festgestellten Vergleich erledigt. Die Gerichtsgebühren sind daher gemäß der Vorbemerkung 8 zu Teil 8 der Anlage 1 zum GKG entfallen und nicht zu erheben.
b) Es ist allerdings umstritten, ob bei einem Wegfall der Gerichtsgebühren weiterhin eine Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG - mit Bindung für die anwaltliche Vergütung (§ 32 RVG) - zu erfolgen hat oder ob nunmehr der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 RVG festzusetzen ist. Während nach einer Auffassung die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes weiterhin maßgebend sein sollen (vgl. nur LAG Düsseldorf, Beschluss vom 05.12.2006 - 6 Ta 583/06 - juris; LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2006 - 6 Ta 95/06 - juris; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.02.2006 - 3 Ta 23/06 - juris; Beschluss vom 14.07.2011 - 5 Ta 101/11 - juris), finden diese nach einer gegenteiligen Auffassung keine Anwendung (vgl. nur LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15.12.2011 - 6 Ta 198/11 - juris; LAG Hamburg, Beschluss vom 09.11.2015 - 6 Ta 22/15 - juris).
c) Die Beschwerdekammer folgt weiterhin der zuletzt genannten Auffassung. Die Streitwertfestsetzung nach § 63 dient vor allem dem Zweck, die Höhe der Gerichtsgebühren zu bestimmen. Sind Gerichtsgebühren nicht (mehr) zu erheben, fehlt ein Anlass für diese Wertfestsetzung. Dem Interesse des Rechtsanwalts, seine Gebühren berechnen zu können, wird durch die sachnähere Wertfestsetzung nach § 33 RVG ausreichend Rechnung getragen, bei der es allein um die anwaltliche Vergütung geht. Dass eine Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG für die anwaltliche Vergütung nach § 32 Abs. 1 RVG bindend sein kann, ändert nichts daran, dass das Streitwertfestsetzungsverfahren "für die Gerichtsgebühren" erfolgt und bei einem Wegfall der Gerichtsgebühren ohne Gegenstand ist.
3. Dem Erfolg der Beschwerde steht nicht entgegen, dass eine Bindungswirkung nach § 32 Abs. 1 RVG nicht eintreten kann, wenn eine Streitwertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG nicht statthaft ist. Durch die angefochtene Entscheidung entsteht der Rechtsschein, die nicht veranlasste Streitwertfestsetzung sei auch für die Rechtsanwaltsgebühren maßgebend; diesen Rechtsschein gilt es zu beseitigen (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 04.11.2016 - 9 C 16.1684 - juris).
4. Das Arbeitsgericht wird nach alledem über den Wertfestsetzungsantrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers nach Beteiligung des Klägers als Schuldner der anwaltlichen Vergütung gemäß § 33 RVG zu entscheiden haben. Es wird dabei zu berücksichtigen sein, dass sich der Kläger mit seinen Klageanträgen gegen zwei voneinander unabhängige Kündigungen gewandt hat, die angesichts der jeweiligen Beendigungszeitpunkte jeweils mit dem Vierteljahresverdienst zu bewerten sein dürften.
5. Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Fundstellen
Haufe-Index 12415955 |
NJ 2017, 383 |
AGS 2017, 410 |
NJW-Spezial 2017, 668 |
RVGreport 2018, 33 |