Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebührenstreitwert bei Streit über Tarifbestimmung für Arbeitsverhältnis. Maßgeblichkeit der Höhe der Gesamtforderungen bei Nichterreichen des dreifachen Jahresbetrags. Dreifacher Jahresbetrag bei Streit über Änderungen von Arbeitsbedingungen. Befugnis des Beschwerdegerichts zur Abänderung eines festgesetzten Streitwerts von Amts wegen
Leitsatz (amtlich)
1. Geht es nicht um die Zuordnung zu einer bestimmten Vergütungsgruppe, sondern um die Bestimmung der für das Arbeitsverhältnis maßgebenden Tarifbestimmungen, handelt es sich nicht um einen Eingruppierungsrechtsstreit iSd § 42 Abs. 3 Satz 2 GKG (vgl. LAG Schleswig-Holstein 19. März 2009 - 6 Ta 24/09, Rn. 17; TZA/Ziemann, Teil 1 A Rn 357).
2. Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG ist bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen an sich der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist.
3. Geht es aber um die Wirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber, ist auch bei wiederkehrenden Leistungen eine Deckelung auf ein Vierteljahreseinkommen vorzunehmen (vgl. LAG Schleswig-Holstein 19. März 2009 - 6 Ta 24/09, Rn. 16; zu Ausnahmen ausführlich LAG Berlin-Brandenburg 14. Juni 2019 - 26 Ta (Kost) 6114/18, Rn. 12; 13. Dezember 2019 - 26 Ta (Kost) 6076/19, zu II 1 c der Gründe).
4. Vom Beschwerdegericht kann eine Korrektur einer Streitwertentscheidung von Amts wegen vorgenommen werden, soweit in dem Beschwerdeverfahren über eine Streitwertfestsetzung gemäß der § 63 Abs. 1 GKG, § 32 Abs. 1 RVG das Verschlechterungsverbot nicht greift. Dies folgt aus § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG, wonach die Streitwertfestsetzung auch vom Rechtsmittelgericht von Amts wegen geändert werden kann, wenn eine Unrichtigkeit festgestellt wird (vgl. LAG Nürnberg 8. Dezember 2008 - 4 Ta 148/08, Rn. 29).
Normenkette
GKG (2004) §§ 42, 63 Abs. 1; RVG § 32 Abs. 1; GKG § 68 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 19.10.2020; Aktenzeichen 36 Ca 16070/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 19. Oktober 2020 - 36 Ca 16070/18 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Streitwert auf 21.122,97 Euro herabgesetzt wird.
Gründe
I.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage nach dem Antrag in der Klageschrift die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur unveränderten Vergütung nach Entgeltgruppe 12 begehrt. Die Klägerin hat ihren Antrag damit begründet, dass es an einer Rechtsgrundlage für eine "Rückgruppierung" durch die Beklagte fehle. Die durch die Beklagte ins Feld geführten Regelungen fänden auf ihr Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Eine tarifliche Vergütungsdifferenz berechnete die Klägerin mit 1.452 Euro. Die Klägerin erhielt allerdings eine abschmelzende Ausgleichszulage. Die Vergütungsdifferenzen für die Zeit von April 2018 bis August 2019 hat die Klägerin erstinstanzlich mit Leistungsanträgen geltend gemacht, die betragsmäßig bei etwa 1/3 des durch das Arbeitsgericht festgelegten Streitwerts liegen und zudem Zeiträume vor Einreichung der Klage betrafen. Mit Schriftsatz vom 2. Juli 2019 hat die Klägerin ihre Anträge umgestellt und sodann mit dem Hauptantrag die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von 7.518,67 Euro brutto monatlich über den 1. April 2018 hinaus geltend gemacht. Sie hat diesen Antrag ebenfalls damit begründet, der seitens der Beklagten zur Rechtfertigung der Vergütungsreduzierung ins Feld geführten Vorschriften fänden auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Mit einem ersten Hilfsantrag hat die Klägerin dann die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur unveränderten Vergütung nach Entgeltgruppe 12 in Höhe von 5.819 Euro brutto zzgl. monatlicher Leistungszulage in Höhe von 21 vH seit August 2019 (insgesamt also 7.040,99 Euro) begehrt. Das Arbeitsgericht hat nach dem Hauptantrag entschieden und das damit begründet, dass eine wirksame Bezugnahme auf den nach Ansicht der Beklagten maßgeblichen Tarifvertrag nicht vorliege. Eine Kürzung der Vergütung hätte einer Änderungskündigung bedurft. Über die Hilfsanträge hat das Arbeitsgericht daher nicht mehr entschieden.
In der Berufungsinstanz ist die Klage inzwischen sowohl hinsichtlich des Haupt- als auch hinsichtlich der Hilfsanträge abgewiesen worden.
Das Arbeitsgericht hat den Streitwert mit Beschluss vom 19. Oktober 2020 auf 34.200 Euro festgesetzt. Es ist dabei von einer durchschnittlichen 36-fachen Vergütungsdifferenz in Höhe von 950 Euro ausgegangen. Die Hilfsanträge seien nicht zu berücksichtigen, da über diese erstinstanzlich nicht entschieden worden sei.
Der Klägervertreter ist der Ansicht, für die Berechnung des Streitwerts sei auf einen 36fachen Differenzbetrag in Höhe von 1.452 Euro abzustellen. Der Streitwert betrage demnach 52.272 Euro.
II.
Die am 23. Oktober 2020 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangene Beschwerde gegen den am 22. Oktober 2020 zugestellten Beschluss des Arbeit...