Entscheidungsstichwort (Thema)
Begrenzung des Gebührenstreitwerts für Bestandsschutzstreitigkeiten. Streitwert bei Änderungskündigungen. Gegenstandswert bei Feststellung einer Leistungspflicht und bei einem auf Zahlung gerichteten Leistungsantrag. Zulässige Bildung eines Gesamtgegenstandswertes im Beschwerdeverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. § 42 Abs. 3 Satz 1 GKG bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Obergrenze des Vierteljahreseinkommens regelmäßig auch bei wiederkehrenden Leistungen zu beachten wäre. Die Begrenzung des Gebührenstreitwerts für Bestandsschutzstreitigkeiten soll verhindern, dass Arbeitnehmer aus Furcht vor hohen Gebühren darauf verzichten, den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses zu verteidigen (vgl. LAG Hamburg 2. August 2012 - 7 Ta 11/12, Rn. 8; 2. Oktober 2003 - 8 Ta 15/03, Rn. 4).
2. Die für den Streitwert bei Änderungskündigungen entwickelten Grundsätze sind ebenfalls nicht ohne weiteres auf die Geltendmachung von Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen übertragbar. Anderes kann gelten, wenn es - wie bei einer Änderungskündigung - um die Wirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen durch den Arbeitgeber geht.
3. Eine solche Konstellation ist nicht gegeben, wenn es einem Belegschaftsmitglied darum geht, dass eine Vergütung in der zugesagten Höhe auch gezahlt wird.
4. Keine Ermäßigung des Gegenstandswerts um 20 vH, wenn es um die Feststellung einer Leistungspflicht und nicht um einen auf Zahlung gerichteten Leistungsantrag geht.
5. Nachholung der Bildung eines Gesamtgegenstandswert im Beschwerdeverfahren.
Normenkette
RVG § 33; GKG § 42; KSchG § 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 08.10.2018; Aktenzeichen 18 Ca 3461/18) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Oktober 2018 - 18 Ca 3461/18 - abgeändert und der Gegenstandswert für das Verfahren auf 14.516,80 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage ein Zwischenzeugnis, Weihnachtsgeld, Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung der Vergütung in der vereinbarten Höhe von 10 Euro/Stunde sowie eine Verzugskostenpauschale geltend gemacht. Die Beklagte hatte der Klägerin nur Vergütung in Höhe von 7,24 Euro brutto/Stunde gezahlt. Am 5. April 2018 überreichte der Beklagte dem Klägervertreter in der Güteverhandlung eine Kündigung. In der Güteverhandlung einigten sich die Parteien sodann auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Freistellung und Erfüllung des Urlaubsanspruchs, ggf. Urlaubsabgeltung, die Zahlung des Weihnachtsgeldes in Höhe von 300 Euro und die Erteilung eines Zeugnisses. Der Klägerin ist Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Nach entsprechender Intervention des Bezirksrevisors hat das Arbeitsgericht den Streitwert für den auf das Zeugnis bezogenen Antrag mit 1.300 Euro, im Hinblick auf das beantragte Weihnachtsgeld auf 300 Euro und für den Antrag zu 3), mit dem die Klägerin die Feststellung beantragt hat, "dass die Parteien ein Bruttostundenentgelt in Höhe von 10 Euro vereinbart haben", auf 3.900 Euro festgesetzt. Das Arbeitsgericht hat für den Vergleich - vermutlich aufgrund eines Versehens - bisher keinen Wert ausgewiesen, wie sich aus dem Tenor iVm der Begründung und der Bezugnahme auf die Stellungnahme des Bezirksrevisors ergibt.
II.
Die am 29. Oktober 2018 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangene und am 1. Dezember 2018 begründete Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 8. Oktober 2018, zugestellt am 15. Oktober 2018, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 12. November 2018 nicht abgeholfen hat, ist zulässig und begründet.
1) Der Antrag zu 3) - nur hierauf bezieht sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Klägers im Hinblick auf den Verfahrenswert - wäre zutreffend mit dem 36-fachen monatlichen Differenzbetrag in Höhe von 12.916,80 Euro in Ansatz zu bringen gewesen.
a) Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG ist bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Das waren hier 12.916,80 Euro, ausgehend von einem Differenzbetrag in Höhe von 358,80 Euro monatlich.
b) Dem steht zunächst nicht entgegen, dass es der Klägerin mit dem Antrag zu 3) um die Feststellung einer Leistungspflicht des Beklagten und damit um einen positiven Feststellungsantrag und nicht um einen auf Zahlung gerichteten Leistungsantrag ging.
aa) Allerdings wurde für das Kostenrecht, wie es vor seiner vollständigen Neuordnung durch das Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) galt, teilweise angenommen, die in vergleichbaren Regelungen verwendete Formulierung "wiederkehrende Leistungen" beziehe sich lediglich auf Klagen, die eine künftige Leistung nach §§ 257 ff. ZPO zum Gegenstand haben und damit auf Leistungsklagen (vgl. BAG 18. April 1961 - 3 AZR 313/59; BGH 11. Januar 1951 - III ZR 151/50). Daraus wurde gefolgert, dass bei einem Antrag auf Feststellung einer Leistungspf...