Entscheidungsstichwort (Thema)
Zusammenrechnung aller entschiedener Kündigungen bei Gegenstandswert. Maßgeblichkeit des höheren Werts bei mehreren Kündigungen mit gleichem Sachverhalt. Zusammenrechnung von Haupt- und Hilfsanträgen im Vergleich
Leitsatz (amtlich)
In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist, § 39 Abs. 1 GKG. Die Werte für Haupt- und Hilfsanträge - um solche handelt es sich auch bei Kündigungsschutzanträgen bezüglich mehrerer Kündigungen - sind zusammenzurechnen, soweit auch über den Hilfsantrag eine Entscheidung ergeht, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG, oder der Rechtsstreit auch insoweit durch Vergleich erledigt wird, § 45 Abs. 4 GKG. Dies gilt allerdings wiederum dann nicht, wenn die Anträge denselben Gegenstand betreffen; dann ist nur der höhere Wert maßgebend, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG.
Normenkette
GKG (2004) §§ 39, 45; RVG §§ 33, 33 Abs. 9; ZPO § 253 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 18.04.2018; Aktenzeichen 42 Ca 16477/16) |
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. April 2018 - 42 Ca 16477/16 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Parteien haben darüber gestritten, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung vom 16. November 2016 am 30. November 2016 - und damit vor Ablauf der Befristung am 31. Dezember 2016 - beendet worden ist sowie um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 1. Dezember 2016. Beide Kündigungsschutzanträge waren auf einen Zeitraum bis zum 31. Dezember 2016 begrenzt.
Die Parteien schlossen am 22. März 2018 einen Vergleich, in dem sie sich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. Dezember 2016 einigten und die Zahlung von Vergütung für die Monate November und Dezember 2016.
Mit Beschluss vom 18. April 2018 hat das Arbeitsgericht den "Wert des Streitgegenstands" für das Verfahren auf 1.600 Euro (ein Bruttoeinkommen) festgesetzt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin begehrt mit der Beschwerde eine Erhöhung des Gegenstandswerts auf zwei Bruttoeinkommen, zumal im Rahmen des Vergleichs auch die Vergütung für die Monate November und Dezember 2016 und eine Urlaubsabgeltung geregt worden seien. Der Urlaubsanspruch sei schon deshalb streitig gewesen, weil die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses in Abrede gestellt habe. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 27. Oktober 2021 nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1) Für den auf die Kündigung vom 16. November 2016 bezogenen Kündigungsschutzantrag ist ein Betrag in Höhe von einem Bruttoeinkommen in Ansatz zu bringen (Höhe der Vergütung für Monate Dezember 2016).
a) Der Streit über die Wirksamkeit einer Kündigung ist grundsätzlich mit dem Vierteljahresverdienst zu bewerten, wenn nicht nach Auslegung des Klageantrags und der Klagebegründung nur ein Fortbestand des Arbeitsverhältnisses von unter drei Monaten im Streit steht. Ist der Antrag auf einen kürzeren Zeitraum beschränkt, ist die auf diesen Zeitraum entfallende Vergütung für die Bemessung des Streitwerts/Gegenstandswerts heranzuziehen. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung der Kostenkammern des Landesarbeitsgerichts (vgl. zB LAG Berlin-Brandenburg 1. November 2021 - 26 Ta (Kost) 6225/21) und auch den Empfehlungen der Streitwertkommission für die Arbeitsgerichtsbarkeit vom 9. Februar 2018 (NZA 2018, 498).
b) Der Kündigungsschutzantrag war ausdrücklich auf den Zeitraum bis zum Ablauf der Befristung am 31. Dezember 2016 begrenzt.
2) Der Antrag zu 2) hat nicht zu einer Erhöhung des Gegenstandswerts geführt.
a) In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist, § 39 Abs. 1 GKG. Die Werte von Haupt- und Hilfsanträgen sind zusammenzurechnen, soweit auch über den Hilfsantrag eine Entscheidung ergeht, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG, oder der Rechtsstreit auch insoweit durch Vergleich erledigt wird, § 45 Abs. 4 GKG. Dies gilt allerdings wiederum dann nicht, wenn die Anträge denselben Gegenstand betreffen; dann ist nur der höhere Wert maßgebend, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG.
Unter dem Begriff "Gegenstand" in § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG ist nicht der Streitgegenstand iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu verstehen. Der "Gegenstand" iSd. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG ist nicht mit dem Streitgegenstand in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO identisch. Ob unterschiedliche (prozessuale) Streitgegenstände vorliegen, ist danach für die Frage des Additionsverbots nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG unerheblich (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 14. Dezember 2018 - 26 Ta (Kost) 6136/18, Rn. 6).
Bei dem Begriff des Gegenstands in § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG handelt es sich vielmehr um einen selbstständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert. Eine Zusammenrechnung hat dort zu erfolgen, wo eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht (vgl. BGH 24. Januar 2019 ...