Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordnungsgeld nach § 23 Abs. 3 BetrVG. Festsetzung im Zwangsvollstreckungsverfahren. Verschulden des Arbeitgebers. Höhe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 23 Abs 3 BetrVG kann das Verschulden des Arbeitgebers auch in einem Organisations-, Auswahl- oder Überwachungsfehler liegen.

2. Hierbei sind sowohl der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen als auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schuldners, ferner der wirtschaftliche Erfolg, den der Schuldner bei einer weiteren Nichtbeachtung des Titels erzielen könnte. Ebenfalls ist zu beachten, ob ein Verstoß gegen einen Titel erstmalig oder wiederholt erfolgt.

3. Bei einer bundesweit operierenden Drogeriekette, also einem Großunternehmen, ist ein Ordnungsgeld bei 8 Verstößen in Höhe von insgesamt 8.000,– EUR gerechtfertigt und ausreichend.

 

Normenkette

BetrVG § 23 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 06.02.2009; Aktenzeichen 1 BV 4891/08)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 06.02.2009 – 1 BV 4891/08 – teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen hinsichtlich Ziffer 1. des Tenors wie folgt gefasst:

„I. Gegen die Schuldnerin wird ein Ordnungsgeld in Höhe von 8.000,– EUR (achttausend) festgesetzt.”

 

Tatbestand

A.

Die Verfahrensbeteiligten streiten über die Festsetzung eines Ordnungsgeldes im Rahmen der Zwangsvollstreckung nach § 23 Abs. 3 BetrVG.

Die Schuldnerin/Arbeitgeberin betreibt bundesweit Drogeriefilialen. Gläubigerin ist der bei ihr gebildete elfköpfige Betriebsrat, der für Arbeitnehmer in verschiedenen Verkaufsstellen zuständig ist, die im Gebiet der Länder Berlin und Brandenburg liegen.

Im vorausgegangenen Erkenntnisverfahren hatten die Beteiligten darüber gestritten, ob die Arbeitgeberin in 33 Fällen rechtswidrigerweise Überstunden angeordnet und gleichzeitig Arbeitnehmer nach geänderten Arbeitszeiten beschäftigt hat, obwohl die geänderten Arbeitszeiten dem Betriebsrat nicht zur Zustimmung vorgelegt worden waren.

Durch Beschluss vom 10.07.2008 – 1 BV 4891/08 – hat das Arbeitsgericht Berlin den Anträgen des Betriebsrates stattgegeben. Der Tenor des Beschlusses lautet u. a. wie folgt:

1. Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, es zu unterlassen, gegenüber Arbeitnehmern oder Arbeitnehmerinnen in Verkaufsstellen des Bezirks 263 Überstunden anzuordnen, die nicht vorher beim Betriebsrat beantragt wurden, es sei denn, es handelt sich um einen Notfall, um einen Eilfall im Sinne des § 5 II Nr. 3 der zwischen den Beteiligten am 3. Juni 2008 vereinbarten Betriebsvereinbarung oder um eine arbeitskampfbezogene Maßnahme.

3. Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, es zu unterlassen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach geänderten Arbeitszeiten in Arbeitszeit- und Pausenplänen zu beschäftigten, deren geänderte Arbeitszeit nicht vorher unter Vorlage der geänderten AZP beim Betriebsrat zur Zustimmung eingereicht wurden, ausgeschlossen sind Eilfälle im Sinne des § 5 II Nr. 3 der Betriebsvereinbarung vom 3. Juni 2008 und arbeitskampfbezogene Maßnahmen.

Für jeden Fall der Zuwiderhandlung hat das Arbeitsgericht Berlin bezogen auf jeden Tag und jeden Arbeitnehmer ein Ordnungsgeld in Höhe von 10.000,– EUR angedroht.

Dieser Beschluss war der Arbeitgeberin am 28. Juli 2008 zugestellt worden. Danach fand zwischen dem Verkaufsleiter und den beiden betroffenen Bezirksleiterinnen ein Besprechung statt. Hierbei wies der Verkaufsleiter darauf hin, dass gegen diesen Beschluss nicht verstoßen werden dürfe. Auch durch den Verkaufsleiter selbst wurden Kontrollen durchgeführt.

Unter dem 18. September 2008 wurde dem Betriebsrat eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt. In der Betriebsratssitzung am 13. Dezember 2008 stellte der Betriebsrat fest, dass die Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts verstoßen habe. Daher werde der hiesige Prozessbevollmächtigte beauftragt, „die Festsetzung in jedem einzelnen Fall eines Ordnungsgeldes zu beantragen” (Bl. 302 f. d. A.).

Mit der Antragschrift vom 19. Dezember 2008 hat der Betriebsrat gerügt, dass die Arbeitgeberin in elf Fällen gegen Ziffer 3. des Beschlusses des Arbeitsgerichts Berlin und in drei weiteren Fällen gegen Ziffer 1. des gleichen Beschlusses verstoßen habe. Dies betraf Vorfälle in der Zeit vom 11. August 2008 bis 4. Oktober 2008. Gleichzeitig wird beantragt, entsprechende Ordnungsgelder festzusetzen.

Die Arbeitgeberin hat u. a. vorgetragen, im Fall Nr. 6 sei im Arbeitszeit- und Pausenplan (AZP) nur aufgrund einer Verwechslung ein falscher Name eingesetzt worden. Im Übrigen hätten die Arbeitnehmer (offenbar) eigenmächtig Änderungen im AZP vorgenommen. Die Bezirksleiterinnen seien ohne Kenntnis hiervor gewesen.

Mit Beschluss vom 6. Februar 2009 hat das Arbeitsgericht im Hinblick auf elf Vorfälle ein Ordnungsgeld in Höhe von 110.000,– EUR festgesetzt. Es hat hierbei rechtskräftig festgestellt, dass hinsichtlich der Vorfälle mit den Nr. 2, 4, 9 und 10 die Verhängung eines Ordnungs...

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