Entscheidungsstichwort (Thema)
Maßgeblichkeit des höheren Wertes bei denselben Gegenständen. Keine Identität des Gegenstandes nach GKG mit Streitgegenstand nach ZPO
Leitsatz (amtlich)
1. Der "Gegenstand" iSd. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG ist nicht mit dem Streitgegenstand in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO identisch. Ob unterschiedliche (prozessuale) Streitgegenstände vorliegen, ist für die Frage des Additionsverbots nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG unerheblich (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 14. Dezember 2018 - 26 Ta (Kost) 6136/18, Rn. 6).
2. Eine Zusammenrechnung hat dort zu erfolgen, wo eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht und nicht ein wirtschaftlich identisches Interesse betroffen ist.
3. Im Ergebnis ist im Hinblick auf die Kündigung mit dem frühesten Beendigungstermin ein Vierteljahreseinkommen in Ansatz zu bringen. Bei den die weiteren Kündigungen betreffenden Anträgen handelt es sich notwendig um Hilfsanträge. Für diese ist der Gegenstandswert nach § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG zu erhöhen, wenn über sie entschieden wird oder sie in einem Vergleich sachlich mitgeregelt werden.
4. Bei gleichem Beendigungszeitpunkt sind die für die Kündigungsschutzanträge in Ansatz zu bringenden Werte aufeinander anzurechnen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 4. Dezember 2018 - 26 Ta (Kost) 6120/18; LAG Berlin 15. Mai 2001 - 17 Ta (Kost) 6172/01; so auch Streitwertkommission Nr. 21.2 - Mehrere Kündigungen ohne Veränderung des Beendigungszeitpunktes).
Normenkette
RVG § 33; GKG § 45; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 21.08.2019; Aktenzeichen 38 Ca 4460/19) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 21. August 2019 - 38 Ca 4460/19 - teilweise abgeändert und der Gesamtgegenstandswert auf 15.746,40 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beklagtenvertreter begehren die Berücksichtigung zweier später zu einem früheren Zeitpunkt ausgesprochenen Kündigungen bei der Festsetzung des Gegenstandswerts.
Die Gemeinschuldnerin hat dem Kläger im März 2019 zum 31. August 2019 gekündigt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat der Insolvenzverwalter im April 2019 zwei weitere Kündigungen ausgesprochen, eine zum 31. Juli 2019 und vorsorglich eine weitere "zum nächstmöglichen Termin". Das Arbeitsgericht hat am 8. August 2019 einen Vergleich festgestellt und bei der Bestimmung des Gegenstandswerts mit Beschluss vom 21. August 2019 für die Kündigungsschutzanträge insgesamt einen Betrag in Höhe von drei Bruttoeinkommen veranschlagt sowie ein weiteres Bruttoeinkommen für einen Zeugnisantrag. Zur Begründung hat es sich darauf berufen, dass es sich bei der Kündigung aus April 2019 um eine solche des Insolvenzverwalters nach § 113 InsO handele und die Kündigungsfrist nur aus insolvenzrechtlichen Gründen verkürzt worden sei. Die Beklagtenvertreter sind der Ansicht, dass für die die Kündigungen aus April 2019 betreffenden Anträge ein Vierteljahreseinkommen und für den die Kündigung aus März 2019 betreffenden Antrag ebenfalls ein Vierteljahreseinkommen in Ansatz zu bringen sei.
II.
Die am 27. August 2019 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangene Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 21. August 2019, zugestellt am 26. August 2019, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 29. August 2019 nicht abgeholfen hat, ist zulässig und teilweise begründet.
Der Gesamtgegenstandswert beträgt 15.746,40 Euro (fünf Bruttoeinkommen). Die unterschiedlichen Beendigungszeitpunkte der Kündigungen wirken sich hier werterhöhend aus, allerdings nur um ein Bruttoeinkommen.
1. Betreffen die Ansprüche im Fall des § 45 Abs. 1 Satz 1 oder 2 GKG denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend. In demselben Verfahren und in demselben Rechtszug werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist, § 39 Abs. 1 GKG. Die Werte von Haupt- und Hilfsanträgen sind zusammenzurechnen, soweit auch über den Hilfsantrag eine Entscheidung ergeht, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG, oder der Rechtsstreit auch insoweit durch Vergleich erledigt wird, § 45 Abs. 4 GKG. Dies gilt dann nicht, wenn die Anträge denselben Gegenstand betreffen; dann ist nur der höhere Wert maßgebend, § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG.
Unter dem Begriff "Gegenstand" in § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG ist nicht der Streitgegenstand iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu verstehen. Der "Gegenstand" iSd. § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG ist nicht mit dem Streitgegenstand in § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO identisch. Ob unterschiedliche (prozessuale) Streitgegenstände vorliegen, ist danach für die Frage des Additionsverbots nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG unerheblich (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 14. Dezember 2018 - 26 Ta (Kost) 6136/18, Rn. 6).
Bei dem Begriff des Gegenstands in § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG handelt es sich vielmehr um einen selbständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert. Eine Zusammenrechnung hat dort zu erfolgen, wo eine wirtschaftliche Werthäufung entsteht und nicht ein wirtschaftlich identisches...