Entscheidungsstichwort (Thema)

Personalgestellung. Wählbarkeit zum Betriebsrat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Arbeitnehmer eines öffentlich-rechtlichen Krankenhauses, die im Rahmen eines Personalgestellungsvertrages in einem privatisierten Unternehmen des Krankenhauses tätig werden, gelten als Arbeitnehmer dieses Unternehmens (§ 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, der seit dem 04.08.2009 in Kraft ist).

2. Die gestellten Arbeitnehmer sind wahlberechtigt und wählbar. Sie sind für die Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder und bei der Verteilung der Betriebsratssitze auf das Geschlecht der Minderheit mit zu berücksichtigen.

3. Dies gilt auch für Arbeitnehmer, die von ihrer Arbeitsleistung freigestellt sind, weil sie im abgebenden Krankenhaus freigestellte Personalratsmitglieder sind.

 

Normenkette

BetrVG § 5 I 3, § 7 I, § 7 II, § 8 I 1, § 9 S. 1, § 15 II

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 08.09.2010; Aktenzeichen 43 BV 8250/10)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 15.08.2012; Aktenzeichen 7 ABR 24/11)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) – 3) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 08.09.2010 – 43 BV 8250/10 – wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten sich im Rahmen eines Betriebsratswahlanfechtungsverfahrens ausschließlich darüber, ob Mitarbeiter, die im Rahmen eines Personalgestellungsvertrages überlassen werden, wählbar sind und ob diese bei der Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder und bei der Anzahl der Mindestsitze für das Geschlecht der Minderheit berücksichtigt werden können.

Die zu 1) – 3) beteiligten Antragsteller sind wahlberechtigte Arbeitnehmer. Der Beteiligte zu 4) ist der im Betrieb der Beteiligten zu 5) gewählte Betriebsrat.

Die Beteiligte zu 5) erbringt diverse Dienstleistungen des Facility Managements für die C. Universitätsmedizin, eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Das Unternehmen wurde im Oktober 2005 gegründet. Mehrheitsgesellschafter mit 51 % ist die C. Universitätsmedizin Berlin. Zwischen der C. und dem privatisierten Unternehmen wurde ein Personalgestellungsvertrag geschlossen. Danach bleiben die gestellten Arbeitnehmer während der Zeit ihrer Arbeitsleistung bei dem privatisierten Unternehmen Angehörige der C.. Weiterhin ist dort geregelt, dass die Überlassung der Arbeitnehmer grundsätzlich für die Laufzeit des Personalgestellungsvertrages erfolgt, der momentan bis zum 31. Dezember 2012 gilt. Das privatisierte Unternehmen verfügt über durchschnittlich 1.800 eigene und 741 gestellte Mitarbeiter.

In der Zeit vom 19. – 21. April 2010 fand die Betriebsratswahl statt. Auf der Wählerliste wurden insgesamt 741 gestellte Mitarbeiter als wählbar geführt. Das Wahlergebnis der Betriebsratswahl wurde am 27. April 2010 bekannt gegeben. Laut Bekanntmachung sind sieben an das privatisierte Unternehmen gestellte Mitarbeiter gewählt worden. Einige von ihnen sind teilweise gleichzeitig freigestellte Personalratsmitglieder bei der C. Universitätsmedizin Berlin. Zwei Beschäftige sind einfache Personalratsmitglieder und eine weitere Beschäftigte Ersatzmitglied im Personalrat.

Mit der am 10. Mai 2010 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangenen Antragsschrift haben die drei Antragsteller die Betriebsratswahl angefochten.

Diese haben die Ansicht vertreten, die Neuregelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 BetrVG gewähre den gestellten Mitarbeitern kein passives Wahlrecht. Nicht jeder Arbeitnehmer im Sinne des § 5 BetrVG habe die gleichen Rechte und Pflichten. Gerade weil § 5 Abs. 1 des Gesetzes über das Personal der Bundeswertpapierverwaltung ausdrücklich das aktive und passive Wahlrecht regele, müsse aus dem Fehlen einer ergänzenden Regelung im Betriebsverfassungsgesetz geschlussfolgert werden, dass für die Frage der Wahlberechtigung § 7 Satz 2 BetrVG entscheidend sei. Dort sei jede Form der Überlassung zur Arbeitsleistung geregelt mit der weiteren Folge, dass überlassene Arbeitnehmer gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht passiv wahlberechtigt seien. Weiterhin haben die anfechtenden Arbeitnehmer die Ansicht vertreten, dass eine Wahlberechtigung für überlassene Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes gegen Art. 3 GG verstoße. Nur bei Anwendung der Vorschriften des AÜG könne vermieden werden, dass es zu rechtlichen und faktischen Komplikationen komme. Andernfalls wären überlassene Beschäftigte des öffentlichen Dienstes selbst bei kurzzeitiger Überlassung entscheidend besser gestellt, als überlassene Mitarbeiter der Privatwirtschaft, die erst bei einer langfristigen Beschäftigung von drei Monaten wählen dürften, ohne dass ihnen darüber hinaus das passive Wahlrecht zustünde. Auch könnten sich die gestellten Arbeitnehmer in beiden Gremien (Betriebsrat und Personalrat) zur Wahl stellen.

Die Beteiligten zu 1) – 3) haben beantragt,

die Betriebsratswahl vom 19. – 21.04.2010 für unwirksam zu erklären.

Der Betriebsrat hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Betriebsrat hält die Betriebsratswahl für wirksam und verweist zur Begründung auf die Gesetzesänderung. Der gesetzge...

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