Entscheidungsstichwort (Thema)
Klauselerinnerung. qualifizierte Klausel. Rechtsnachfolge. Betriebsübergang. Offenkundigkeit. Gerichtskundigkeit. Abrechnung. Vollstreckbarkeit
Leitsatz (amtlich)
1) Offenkundigkeit iSd. § 727 Abs. 1 ZPO liegt vor, wenn sie der Allgemeinheit bekannt oder ohne besondere Fachkunde – auch durch Information aus allgemein zugänglichen Quellen – wahrnehmbar oder dem zur Entscheidung über die Erteilung der Vollstreckungsklausel berufenen Gericht aus seiner jetzigen oder früheren amtlichen Tätigkeit bekannt ist (vgl. BGH 23. Oktober 2008 – I ZR 158/07 – JurBüro 2009, 163, zu II 3 a der Gründe; vgl. Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 291 Rdn. 1).
Es bleibt dahingestellt, ob von Gerichtskundigkeit schon auszugehen ist, wenn sich aus irgendwelchen Akten eines Gerichts die notwendigen Tatsachen ergeben (ablehnend zB. Stein/Jonas-Leipold § 291 Rn. 9 mwN.). Jedenfalls dann, wenn die Frage der Rechtsnachfolge (Betriebsübergang) in einem anderen zivilrechtlichen Verfahren mit anderen Parteien höchst streitig gewesen ist und zudem nur eine Vorfrage darstellte, kann nicht von Offenkundigkeit ausgegangen werden.
2) Es konnte im Ergebnis dahinstehen, ob ein Titel einen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist, wenn sich aus ihm nur der Endzeitpunkt eines Abrechnungszeitraums, nicht aber dessen Beginn ergibt.
Normenkette
ZPO §§ 727, 732; ArbGG § 9 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Potsdam (Entscheidung vom 13.02.2009; Aktenzeichen 5 Ca 2106/03) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Potsdam vom 13. Februar 2009 – 5 Ca 2106/03 – abgeändert. Auf die Erinnerung der Beschwerdeführerin vom 10. September 2008 wird die vom Arbeitsgericht Potsdam (Rechtspfleger) am 3. Juli 2008 erteilte vollstreckbare Ausfertigung in der Fassung des Beschlusses vom 8. Januar 2008 zum Vergleich vom 1. August 2003 und die Vollstreckung aus ihr für unzulässig erklärt, soweit sie die Umschreibung auf die Beschwerdeführerin betrifft.
2. Die Gläubigerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Gläubigerin und die HC K. GmbH schlossen am 1. August 2003 vor dem Arbeitsgericht Potsdam einen Vergleich, in dem es u.a. heißt:
- „Die Parteien sind sich einig, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihnen aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung aus dringenden betrieblichen Gründen fristgerecht mit dem 31.10.2003 endet.
- …
- Die Beklagte erteilt der Klägerin für das Arbeitsverhältnis Abrechnungen bis zum o.g. Zeitpunkt und zahlt die sich hieraus ergebenden Nettobeträge aus.”
Am 21. November 2005 ist der Gläubigerin antragsgemäß eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs erteilt worden. Mit Schreiben vom 24. April 2008 hat sie beantragt, ihr „gem. § 727 ZPO eine vollstreckbare Ausfertigung dieses Vergleichs zum Zwecke der Zwangsvollstreckung gegen die H. K. GmbH als Rechtsnachfolgerin der HC K. GmbH zu erteilen” unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Arbeitsgerichts Potsdam vom 10. Januar 2007 in dem Verfahren 9 Ca 962/06, da dort festgestellt worden sei, dass es sich bei der Gesellschaft um eine Rechtsnachfolgerin der im Titel aufgeführten Schuldnerin handele und dies daher offenkundig sei. Nachdem die Gläubigerin dem Gericht auf entsprechende Nachfrage Handelsregisterauszüge vorgelegt hatte, versah der Rechtspfleger die vollstreckbare Ausfertigung am 3. Juli 2008 mit einem Zusatz, wonach die Beklagte nunmehr unter „H. K. GmbH” firmiere und der Nachweis durch Vorlage der beglaubigten Handelsregisterauszüge des Amtsgerichts Potsdam geführt worden sei. Hiergegen hat die Beschwerdeführerin am 10. September 2008 Erinnerung eingelegt und diese damit begründet, es gebe keine Umfirmierung bzw. Identität beider Unternehmen und auch keine Rechtsnachfolge.
Mit Beschluss vom 8. Januar 2009 hat der Rechtspfleger der Erinnerung teilweise abgeholfen und den Zusatz dahingehend abgeändert, dass „der Nachweis der geänderten Firmierung der Beklagten” nicht durch die Handelsregisterauszüge geführt worden, „sondern dass diese Tatsache vielmehr durch das rechtskräftige Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam – 9 Ca 962/06 – vom 19. Januar 2007 offenkundig” sei, und die Sache wegen der Erinnerung im Übrigen der Richterin vorgelegt. Mit Beschuss vom 13. Februar 2009 hat das Arbeitsgericht Potsdam die Erinnerung zurückgewiesen und „die Sache zuständigkeitshalber dem LAG Berlin-Brandenburg zur weiteren Veranlassung” vorgelegt. Der Beschluss ist den Parteien formlos und ohne Rechtsmittelbelehrung übersandt worden.
Hiergegen hat die Beschwerdeführerin mit dem beim Arbeitsgericht Potsdam am 5. März 2009 eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, es liege kein Betriebsübergang vor.
Entscheidungsgründe
II.
1) Die Beschwerde ist als sofortige Beschwerde zulässig. Sie ist statthaft sowie fristgerecht eingelegt und begründet worden. Da die Entscheidung des Arbeitsgerichts entgegen § 9 Abs. 5 Satz 1 ArbGG nicht mit einer Rechtsmitte...