Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozesskostenhilfe. Erfolgsaussichten. Anforderungen an die Erfolgsaussicht der Klage im Rahmen der Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Spricht für den Vortrag der Klägerin genauso viel wie gegen diesen Vortrag und sind - nicht von vornherein aussichtlose - Beweismittel angeboten, ist der Klägerin Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

 

Normenkette

ZPO § 114

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 19.04.2012; Aktenzeichen 34 Ca 20774/11)

 

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 23. Mai 2012 wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes Berlin vom 19. April 2012 - 34 Ca 20774/11 - abgeändert. Der Klägerin wird für den Antrag aus der Klageschrift vom 30. Dezember 2011 Prozesskostenhilfe mit Wirkung vom 30. Dezember 2011 unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin A. L. mit der Maßgabe bewilligt, dass hinsichtlich der Prozesskosten vorläufig kein eigener Beitrag zu leisten ist.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

3. Gegen diesen Beschluss ist für die Klägerin kein Rechtsmittel gegeben.

 

Gründe

I. Unter dem 30. Dezember 2011 erhob die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin und begehrte Vergütung für Arbeitsleistung in Höhe von 12.406,93 EUR für die Zeit vom 12. Mai 2008 bis 30. Juni 2010. Sie trug vor, diese Arbeitsleistung für die Beklagte, deren Geschäftsführer ihr ehemaliger Lebensgefährte war, erbracht zu haben, in der Hoffnung, die gestörte Beziehung wieder heilen zu können.

Die Klägerin hat in der Klageschrift weiter vorgetragen, dass sie in der Folgezeit von Anfang 2008 dem Geschäftsführer der Beklagten angeboten habe, die Buchhaltung in dessen Betrieb in Ordnung zu bringen. Sofern die Anfang 2008 beendete nichteheliche Lebensgemeinschaft zwischen beiden wieder fortgesetzt werde, wolle sie für diese Tätigkeit keine Vergütung erhalten. Sofern die Beziehung aber scheitere, solle die Klägerin für ihre Tätigkeit entlohnt werden. Nach einigem Zögern sei es zu dieser Vereinbarung gekommen. Als unmittelbare Zeugen dieser Vereinbarung hat die Klägerin den Geschäftsführer der Beklagten und sich selbst benannt. Als Zeugin vom Hörensagen hat sie die Arbeitnehmerin H. I. benannt.

II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin ist gem. §§ 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässig, da die Klägerin die vom Arbeitsgericht angenommene mangelnde Erfolgsaussicht ihrer Klage als unzutreffend rügt.

1. In der Sache ist die sofortige Beschwerde auch begründet.

Nach § 11 a Abs. 3 ArbGG i. V. m. § 114 Satz 1 ZPO erhält ein Prozessbeteiligter auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht und nicht mutwillig erscheint. Zwar ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig zu machen, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gebietet Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG jedoch eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (BVerfG, Beschluss vom 20. Februar 2002 - 1 BvR 1450/00). Deshalb dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überzogen werden, weil das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatgrundsatz erfordert, nicht selbst bietet, sondern ihn erst zugänglich macht (BVerfG, Beschlüsse vom 6. Mai 2009 - 1 BvR 439/08 und vom 14. März 2003 - 1 BvR 1998/02). Die Prüfung der Erfolgsaussichten soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und diese an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen.

Daraus folgt, dass der Erfolg des Rechtsschutzbegehrens zum Zeitpunkt der Klageerhebung bzw. der Beantragung der Prozesskostenhilfe nicht gewiss sein muss. Die hinreichende Aussicht auf Erfolg ist nur dann zu verneinen, wenn diese nur entfernt oder schlechthin ausgeschlossen ist (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19. Oktober 2011 - 6 Ta 90/11). Die hinreichende Erfolgsaussicht ist somit gegeben, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt der Klägerin zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Kommt eine Beweisaufnahme im Hauptverfahren ernsthaft in Betracht und liegen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil der Klägerin ausgehen würde (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 14. April 2003 - 1 BVR 1998/02), ist hinreichende Erfolgsaussicht regelmäßig zu bejahen (BVerfG, Beschluss vom 29. September 2004 - 1 BvR 1281/04).

3. Konkrete und nachvollziehbare Anhal...

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