Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Rechtsanwaltskosten als Mehrkosten nach Verweis vom Land- zum Arbeitsgericht. Streitwertbemessung bei wiederkehrenden Leistungen. Absenkung von Kosten und Gebühren aus sozialen Gründen
Leitsatz (amtlich)
1) Die einer beklagten Partei in einem Verfahren vor dem Landgericht, welches den Rechtsstreit an ein Arbeitsgericht verwiesen hat, entstandenen Anwaltskosten stellen "Mehrkosten" iSd. § 17b Abs. 2 Satz 2 GVG dar.
Sie können nach § 12a Abs. 1 Satz 3 ArbGG auch im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs erstattet verlangt werden; das gilt auch dann, wenn die beklagte Partei vor dem Arbeitsgericht von demselben Rechtsanwalt vertreten wird (vgl. BAG 1. November 2004 - 3 AZB 10/04, Rn. 14).
2) Die Streitwertberechnung bei wiederkehrenden Leistungen ist in § 9 ZPO sowie § 42 GKG geregelt. Bei einer Klage auf wiederkehrende Leistungen ist der Zuständigkeits- oder Rechtsmittelstreitwert nach § 9 ZPO zu bestimmen.
Über § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG richtet sich grundsätzlich auch die Berechnung des Gebührenstreitwerts nach dieser Vorschrift.
3) Liegt den Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen jedoch ein Rechtsverhältnis der in § 42 Abs. 1 GKG genannten Art zugrunde, geht § 42 Abs. 1 GKG als lex specialis § 9 ZPO vor.
Der Streitwert für die Gerichtsgebühren und gleichermaßen auch für die Rechtsanwaltsgebühren, wird in diesen Fällen aus sozialen Gründen abgesenkt (BDZ/Dörndorfer, 5. Aufl. 2021, GKG § 42 Rn. 1).
Abs. 1 gilt auch für arbeitnehmerseitige Ansprüche, die gegenüber einem Dritten (zB einer Unterstützungskasse, dem BVV aG oder einer Versorgungskasse) geltend gemacht werden (TZA/Ziemann, Teil 1 A Rn 594; GA-ArbR/Stefan Müller, 1. Aufl. 2016, GKG § 42 Rn. 8).
Normenkette
GVG § 17b; ArbGG § 12a; ZPO § 9; GKG § 42; RVG § 33 Abs. 9
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 08.05.2018; Aktenzeichen 4 Ca 5280/18) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers vom wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. Mai 2018 - 4 Ca 5280/18 - teilweise abgeändert und der Gegenstandswert auf 41.645,78 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Parteien stritten über eine Berufsunfähigkeitsrente. Der Kläger hat die Klage ursprünglich zutreffend vor dem Landgericht Berlin erhoben. Dieses hat den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Berlin verwiesen. Der Beklagte zu 1) hatte für das Verfahren vor dem Landgericht einen Prozessbevollmächtigten bestellt, sich dann beim Arbeitsgericht allerdings selbst vertreten. Nach Niederlegung des Mandats durch den Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) ist der Gegenstandswert auf dessen Antrag durch das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 8. Mai 2018 auf zusammengerechnet 46.407,44 Euro festgesetzt worden. Dabei wollte das Gericht von dem Gegenstandswert ausgehen, der in der ordentlichen Gerichtsbarkeit für das Verfahren maßgeblich ist. Mit dem Antrag zu 1) aus der Klageschrift hat der Kläger beantragt, den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an ihn 11.904,15 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Mit dem Antrag zu 2) hat er beantragt festzustellen, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, über den 1. August 2017 hinaus bis zum Ende der Berufsunfähigkeit, längstens jedoch bis zum 1. Mai 2030 (Eintritt in die Altersrente) eine monatliche Berufungsunfähigkeitsrente in Höhe von 793,61 Euro zu zahlen sowie die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung iHv 1.171,67 Euro nebst Zinsen zu zahlen.
Der Beschluss ist damals nur dem Beklagtenvertreter und der durch ihn vertretenen Partei, nicht aber dem Kläger und dessen Prozessbevollmächtigter zugestellt worden. Im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens wendet sich der Kläger gegen eine Festsetzung der Kosten nach Maßgabe des für die Gebühren des Beklagtenvertreters zugrunde gelegten Gegenstandswerts. Das Arbeitsgericht hat der Prozessbevollmächtigten des Klägers daraufhin den Beschluss vom 8. Mai 2018 zugestellt. Der Kläger hat gegen den seiner Prozessbevollmächtigten am 6. April 2021 zugestellten Beschluss mit einem bei dem Arbeitsgericht am 20. April 2021 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und die Abänderung des Beschlusses dahingehend beantragt, dass "der Streitwert für das Verfahren auf 28.569,96 Euro" festgesetzt wird. Zur Begründung hat er auf die Streitwertfestsetzung "im Verfahren" Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Der Kläger habe wegen § 12a Abs. 1 Satz 3 ArbGG die Kosten zu tragen, die ihm durch die Bestellung für das Verfahren vor dem Landgericht entstanden seien. Diese berechneten sich nach den für das Verfahren vor dem Landgericht maßgeblichen Streitwertbestimmungen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.
Das Arbeitsgericht ist in dem Beschluss vom 8. Mai 2018 zutreffend davon ausgegangen, dass für die Berechnung des Gegenstandswert für die Ermittlung der Anwaltsgebühren von den insoweit für eine Prozessvertretung von dem Landgericht maßgeblichen Gebührent...