Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert eines Kündigungsrechtsstreits nach Abschluss eines Vergleichs. Berücksichtigung eines Hilfsantrags auf vorläufige Beschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

Einigen sich die Parteien in einem Kündigungsrechtsstreit auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, ist der ebenfalls rechtshängige Hilfsantrag auf vorläufige Beschäftigung nicht zu bewerten.

 

Normenkette

GKG § 45

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 15.04.2015; Aktenzeichen 6 Ca 1778/15)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 15.04.2015 - 6 Ca 1778/15 - teilweise geändert:

Der Vergleichswert übersteigt den Streitwert um 8.710,92 EUR.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde auf Kosten der Prozessbevollmächtigten des Klägers zurückgewiesen.

III. Die Gebühr Nr. 8614 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz wird auf die Hälfte ermäßigt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist nur zum Teil begründet.

1. Das Arbeitsgericht hat die im Wege des unechten Hilfsantrags verfolgte Klage auf vorläufige Beschäftigung zu Recht nicht bewertet; der Streitwert beträgt daher - wie vom Arbeitsgericht festgesetzt - 11.400,00 EUR.

a) Wird der Rechtsanwalt in einem gerichtlichen Verfahren tätig, in dem sich die Gerichtsgebühren nach dem Wert der Angelegenheit richten, bestimmt sich der Gegenstandswert zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften (§ 23 Abs. 1 RVG). Für Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen gelten die Bestimmungen des Gerichtskostengesetzes (§ 1 Abs. 2 Nr. 4 GKG). Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch, der nicht den gleichen Gegenstand wie der Hauptantrag betrifft, wird daher bei der Wertberechnung mit dem Hauptantrag zusammengerechnet, wenn über ihn eine gerichtliche Entscheidung ergeht oder die Parteien ihn in einem gerichtlichen Vergleich erledigen (§ 45 Abs. 1 Satz 2, 3, Abs. 4 GKG). Fehlt eine derartige Entscheidung bzw. vergleichsweise Regelung, bleibt der Hilfsantrag für die Berechnung der Gerichtsgebühren außer Betracht.

b) Es ist in der Rechtsprechung und Literatur allerdings umstritten, ob ein Hilfsantrag gleichwohl zur Berechnung der anwaltlichen Vergütung berücksichtigt werden kann, wenn über ihn - z.B. infolge einer Klagerücknahme - keine gerichtliche Entscheidung ergangen ist bzw. er keine vergleichsweise Regelung erfahren hat. Nach einer Auffassung stimmen in einem derartigen Fall gerichtliche und anwaltliche Tätigkeit nicht überein; die Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren sei daher insoweit ohne Belang (LAG Nürnberg, MDR 2005, 120; LAG Köln, NZ- RR 2002, 437 f., GK-Wenzel, § 12, Rn. 88 m.w.N.). Die gegenteilige Auffassung lehnt demgegenüber eine Bewertung des Hilfsantrages nach §§ 23 Abs. 1 RVG, 45 Abs. 1, 4 GKG ab (LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29.03.2011 - 17 Ta (Kost) 6029/11; Beschluss vom 08.11.2007 - 17 Ta (Kost) 6198/07; OLG Karlsruhe, AGS 2007, 470 m.w.N.; LAG Berlin, NZA-RR 2004, 374; LAG Bremen, LAGE Nr. 18 zu § 19 GKG; Hessisches LAG, NZA 1999, 434 f.; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 21. Aufl. 2013, § 23, Rn. 14, 15; Anhang VI Rn. 268).

c) Die Beschwerdekammer folgt weiterhin der zuletzt genannten Auffassung. Die Verweisung des § 23 Abs. 1 RVG auf die Vorschriften des Gerichtskostengesetzes führt dazu, dass Hilfsanträge für die Vergütung des Anwalts erst dann von Bedeutung sind, wenn über sie entschieden worden ist oder sie durch Vergleich erledigt wurden. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Tätigkeit des Anwalts und des Gerichts bezögen sich nicht auf den gleichen Gegenstand. Vielmehr muss sich das Gericht (und die beklagte Partei) mit hilfsweise gestellten Ansprüchen durchaus auseinandersetzen, auch wenn insoweit letztlich keine Entscheidung ergeht. Die gegenteilige Auffassung berücksichtigt auch nicht hinreichend, dass nicht jeder anwaltliche Arbeitsaufwand ohne weiteres zu vergüten ist. Es besteht bei der Anwendung des § 45 GKG auch kein Unterschied zwischen so genannten "echten" und "unechten" Hilfsanträgen. Zwar wird ein unechter Hilfsantrag nicht alternativ, sondern kumulativ zum Hauptantrag verfolgt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass er in ein Hilfsverhältnis zum Hauptantrag gestellt worden ist; eine objektive Klagehäufung, die eine Addition der Werte beider Anträge rechtfertigen würde, liegt daher erst bei einem Obsiegen mit dem Hauptantrag vor. Es ist auch nicht erkennbar, welchen Sinn ein unechter Hilfsantrag haben soll, wenn er bei einem Unterliegen mit dem Hauptantrag nicht zu der Kostenprivilegierung des § 45 Abs. 1, 4 GKG führen würde. Bei dieser Sachlage ist es nicht gerechtfertigt, entgegen dem klaren Wortlaut der §§ 23 RVG, 45 GKG eine Bewertung des Hilfsantrags auch ohne gerichtliche Entscheidung bzw. vergleichsweise Erledigung vorzunehmen.

d) Im vorliegenden Fall ist eine Erledigung des unechten Hilfsantrags auf vorläufige Beschäftigung durch gerichtliche Entscheidung oder durch eine vergleichsweise Regelung nicht erfo...

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