Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe für eine Kündigungsschutzklage eines noch bei den Eltern lebenden jungen Erwachsenen. Verweisung auf einen Prozesskostenvorschuss der Eltern
Leitsatz (amtlich)
Ein junger Erwachsener, der sich noch nicht in einer von seinen Eltern unabhängigen Lebensstellung befindet, hat vor der Inanspruchnahme der Staatskasse für die Prozesskostenhilfe einen Kostenvorschuss von seinen Eltern zu nutzen. Eine etwaige unzureichende Leistungsfähigkeit der Eltern hat der junge Erwachsene darzulegen.
Normenkette
ZPO §§ 114-115; BGB § 1360a Abs. 4, § 1603
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 16.06.2016) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg vom 13. Juli 2016 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Juni 2016 teilweise abgeändert.
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T. B. erfolgt mit der Maßgabe, dass hinsichtlich der Prozesskosten der Kläger einen Einmalbetrag von 648,55 EUR zu zahlen hat.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
3. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.
Gründe
I.
Am 27. April 2016 erhob der am ... Januar 1998 geborene Kläger selbst Klage vor dem Arbeitsgericht Berlin gegen eine durch seinen damaligen Ausbildungsbetrieb unter dem 15. April 2016 ausgesprochene Kündigung seines Ausbildungsverhältnisses zum 15. April 2016. Unter dem 17. Mai 2016 zeigte der Klägervertreter an, dass der Kläger nun von ihm vertreten werde. Unter dem 23. Mai 2016 erweiterte der Klägervertreter die Kläger, indem er sich gegen eine weitere Kündigung vom 19. Mai 2016 wandte. Zugleich beantragte er, dem Kläger Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihn dem Kläger beizuordnen. Er trug vor, dass er noch bei seinen Eltern wohne und über die Ausbildungsvergütung aus dem streitigen Ausbildungsverhältnis hinaus über keine Einnahmen verfüge. Eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers vom 17. Mai 2016 wurde am 10. Juni 2016 eingereicht. In dieser gab er an, keinen Unterhaltsanspruch gegenüber anderen Personen zu besitzen.
Mit Beschluss vom 16. Juni 2016 bewilligte das Arbeitsgericht Berlin dem Kläger für den Antrag aus dem Schriftsatz vom 23. Mai 2016 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T. B. mit der Maßgabe, dass vorläufig kein eigener Beitrag zu leisten sei. Mit Beschluss vom 9. August 2016 stellte das Arbeitsgericht klar, dass der Beschluss vom 16. Juni 2016 auch eine Prozesskostenhilfe für den Antrag aus der Klageschrift beinhalte.
Im Gütetermin am 7. Juli 2016 schlossen die Parteien einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis der Parteien am 31. Juli 2016 enden werde, dieses vom 20. Mai 2016 bis 31. Juli 2016 abgerechnet werde und der sich daraus ergebende Nettobetrag unter Berücksichtigung etwaiger Anspruchsübergänge an den Kläger ausgezahlt werde. Weiter wurde die Übereinstimmung der Parteien festgehalten, dass der Kläger seine Urlaubsansprüche in Natur gewährt bekommen und sie genommen habe und er 350,00 EUR brutto als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes erhalte. Am 14. September 2016 setzte das Arbeitsgericht Berlin die dem Klägervertreter zu erstattende Vergütung auf 648,55 EUR fest.
Am 13. Juli 2016 erhob der Bezirksrevisor beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Juni 2016 und beantragte diesen mit der Maßgabe aufzuheben, soweit nicht von dem Kläger auf die Prozesskosten zu leistende Beträge festgesetzt seien. Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit komme es nicht nur auf die des Klägers selbst an, sondern ein Prozesskostenvorschuss von seinen Eltern sei ebenfalls zu berücksichtigen. Das diese wegen eigener Bedürftigkeit dazu nicht in der Lage wären, sei nicht festzustellen.
Grundsätzlich würden Eltern in entsprechender Anwendung des § 1360a Abs. 4 BGB auch ihren volljährigen Kindern einen Vorschuss für die Kosten eines Rechtsstreits in persönlichen Angelegenheiten schulden, wenn diese Kinder wegen der Fortdauer ihrer Ausbildung noch keine eigene Lebensstellung erreicht hätten. Solange der Kläger keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Eltern als Zweitstück beibringe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass eine Bedürftigkeit des Klägers tatsächlich bestehe.
Am 19. September 2016 hat das Arbeitsgericht Berlin beschlossen, der sofortigen Beschwerde nicht abzuhelfen, weil ohne das Vorliegen konkreter Anhaltspunkte von einem unterhaltspflichtigen Angehörigen einer Partei regelmäßig nicht die Abgabe einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse verlangt werden könne.
II.
Die sofortige Beschwerde des Bezirksrevisors und Beschwerdeführers ist gem. §§ 78 Satz 1 ArbGG, 127 Abs. 3, 567 ff. ZPO zulässig, in der Sache ist die sofortige Beschwerde auch begründet.
Der Kläger hat grundsätzlich noch einen Unterhaltsanspruch ge...