Entscheidungsstichwort (Thema)

Anwaltskosten. Festsetzung in Höhe ersparter Reisekosten der Partei. Umfang der Erstattung von Reisekosten

 

Leitsatz (redaktionell)

Wurden der obsiegenden Partei durch die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten Reisekosten erspart, die der Gegner ansonsten aufgrund der getroffenen Kostengrundentscheidung zu erstatten hätte, so kann er in Höhe dieser hypothetischen Reisekosten den Ersatz von Anwaltskosten verlangen.

 

Normenkette

ArbGG § 12a; ArbGG § 12a Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Potsdam (Entscheidung vom 04.01.2012; Aktenzeichen 3 Ca 686/11)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Potsdam vom 4. Januar 2012 - 3 Ca 686/11 - geändert:

Die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 492,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 v.H. über dem Basiszinssatz seit dem 12. Dezember 2011 festgesetzt.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Festsetzungs- und des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

 

Gründe

Die Beschwerde ist begründet.

1. Die Beklagte ist aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Arbeitsgerichts Potsdam vom 30. August 2011 verpflichtet, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Zu diesen Kosten gehören auch die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten der Klägerin, soweit sie durch die Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten Reisekosten erspart hat. Dem steht § 12a Abs. 1 ArbGG, wonach kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten besteht, nicht entgegen. Durch diese Bestimmung soll zwar das Prozesskostenrisiko der unterliegenden Partei begrenzt werden; ihr soll jedoch auch kein ungerechtfertigter Kostenvorteil entstehen. Wurden daher der obsiegenden Partei durch die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten Reisekosten erspart, die der Gegner ansonsten zu erstatten hätte, so kann er in Höhe dieser hypothetischen Reisekosten den Ersatz der Anwaltskosten verlangen (vgl. hierzu nur LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 3. Januar 2008 - 17 Ta (Kost) 6211/07; LAG Berlin, Beschluss vom 12. Mai 2006 - 17 Ta (Kost) 6006/06 - NZA-RR 2006, 538 f.; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 7. Aufl. 2009, § 12 a Rn. 21 ff. m.w.N.).

2. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin durch die Tätigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten Reisekosten erspart, weil einer ihrer Vertreter nun nicht selbst zu den Gerichtsterminen am 27. April und 30. August 2011 nach Potsdam reisen musste; bis zur Höhe dieser Reisekosten sind daher auch Rechtsanwaltskosten erstattungsfähig. Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, dass das Arbeitsgericht das persönliche Erscheinen des gesetzlichen Vertreters der Klägerin nicht angeordnet hatte; auch ist es ohne Belang, ob von der Klägerin eine schriftliche Information ihrer Prozessbevollmächtigten erwartet werden durfte. Denn es geht nicht um die Festsetzung eigener zusätzlicher Reisekosten der Partei oder die Erstattungsfähigkeit anwaltlicher Reisekosten und der Erforderlichkeit einer Informationsreise der Partei, sondern ausschließlich um die Frage, ob durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten eigene erstattungsfähige Reisekosten erspart wurden. Entscheidend ist daher ausschließlich, ob und in welchem Umfang die Klägerin Reisekosten hätte aufwenden und erstattet verlangen können, wenn sie selbst zu den gerichtlichen Terminen angereist wäre.

3. Bei einer eigenen Prozessführung hätte der Vertreter der Klägerin zu beiden gerichtlichen Terminen von St. Gallen nach Potsdam und zurück reisen müssen. Hierdurch wären bei jedem Verkehrsmittel höhere Kosten als die in Ansatz gebrachten und zutreffend berechneten Rechtsanwaltskosten entstanden. Dass die Klägerin eine räumlich nähere Zweigniederlassung unterhält, von der aus der Prozess hätte geführt werden können, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Dies führt zur Festsetzung der in Ansatz gebrachten Kosten durch das Beschwerdegericht; dass der Festsetzungsantrag in der Beschwerdeinstanz erweitert wurde, hindert eine diesbezügliche Festsetzung nicht, nachdem die Rechtspflegerin der Beschwerde insgesamt nicht abgeholfen hat.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

5. Die Entscheidung ist unanfechtbar.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI3326245

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