Entscheidungsstichwort (Thema)
einstweilige Verfügung. Unterlassung. Vollziehung
Leitsatz (amtlich)
1. Auch die Unterlassungsverfügung muss innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen werden (BAG vom 18.09.2007 – 9 AZR 672/06)
2. Auch im Beschlussverfahren ersetzt die Amtszustellung die Vollziehung der einstweiligen Verfügung nicht.
Normenkette
ZPO § 929; ArbGG § 85
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 25.11.2010; Aktenzeichen 55 BVGa 18092/10) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 25. November 2010 – 55 BVGa 18092/10 – abgeändert und der Antrag auf Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Beteiligte zu 2 zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1. Der Antragsteller und Beteiligte zu 1 (im folgenden Betriebsrat) erwirkte gegen die Antragsgegnerin und Beteiligte zu 2 (im folgenden Arbeitgeberin) eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung der Einführung von Arbeitszeitkonten bis zur Entscheidung in der Hauptsache bzw. bis zu einer Einigung der Betriebsparteien darüber. Dieser in der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2010 verkündete Beschluss, der mit der Androhung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 10.000 EUR versehen war, wurde der Arbeitgeberin mit Gründen am 16. September 2010 zugestellt. Der Betriebsrat erhielt dazu unter dem Datum vom 22. September 2010 eine vollstreckbare Ausfertigung.
Auf den beim Arbeitsgericht am 2. November 2010 eingegangenen Antrag des Betriebsrats setzte das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 25. November 2010 gegen die Arbeitgeberin wegen Zuwiderhandlung gegen die festgesetzte Verpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.000 EUR fest. Gegen diesen der Arbeitgeberin am 10. Dezember 2010 zugestellten Beschluss hat sie mit einem beim Landesarbeitsgericht am 17. Dezember 2010 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt, die sie zum einen damit begründet, die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss sei schon deshalb unstatthaft, weil der Betriebsrat den Beschluss nicht innerhalb der Monatsfrist der §§ 936, 929 ZPO vollzogen habe, zum anderen habe sie gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts nicht verstoßen und Arbeitszeitkonten geführt. Der Betriebsrat hält demgegenüber die Amtszustellung für die Vollziehung ausreichend und das Ordnungsmittel für verwirkt.
Mit Beschluss vom 2. Februar 2011 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
2. Die gemäß §§ 793, 764 Abs. 3 ZPO, § 85 Abs. 1 ArbGG statthafte, fristgemäß und formgerecht gemäß §§ 567, 569 ZPO eingereichte sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin hat in der Sache Erfolg. Der Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts ist aufzuheben und der Antrag des Betriebsrats auf Verhängung eines Ordnungsgeldes zurückzuweisen, weil die im Beschluss vom 18. August 2010 enthaltene einstweilige Verfügung nicht mehr vollstreckbar ist.
2.1 Nach § 85 ArbGG, §§ 935, 936, 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung unstatthaft, wenn seit dem Tage, an dem sie verkündet oder der Partei, auf deren Gesuch sie erging, zugestellt wurde, ein Monat verstrichen ist. Deshalb muss eine einstweilige Verfügung innerhalb der Frist des § 929 Abs. 2 ZPO vollzogen werden. Unter „Vollziehung” in diesem Sinne ist die Einleitung der Zwangsvollstreckung aus dem Arrest oder aus der einstweiligen Verfügung zu verstehen (BAG v. 18.09.2007 – 9 AZR 672/06 – BAGE 124, 80 ff.). Dies gilt grundsätzlich auch für eine auf Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügung. Auch hier ist eine Vollziehung erforderlich (BGH 22.10.1992 – IX 36/92 – BGHZ 120, 73 ff.; BAG v. 18.07.2007 – 9 AZR 672/06 a.a.O; OLG Oldenburg v. 14.09.2010 – 1 W 40/10 in juris; a.A. LAG Hamm 7.8.1987 – 8 Sa 1369/86 – NZA 1987, 825).
2.2 Der Betriebsrat hat die einstweilige Verfügung innerhalb der Monatsfrist nicht vollzogen. Diese begann mit der Verkündung des Beschlusses auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (§ 85 Abs. 2 ArbGG, §§ 929 Abs. 2, 936 ZPO) am 18. August 2010 und endete mit Ablauf des 18. Septembers 2010. Innerhalb dieser Frist hat der Betriebsrat keine Initiative ergriffen, um von dem Titel Gebrauch zu machen und keine Vollziehungsmaßnahmen iSv. § 929 Abs. 2 ZPO veranlasst. Weder hat er die einstweilige Verfügung im Parteibetrieb zustellen lassen, was für die Vollziehung grundsätzlich als ausreichend angesehen wird, noch hat er eine sonstige Handlung vorgenommen, mit der sein Vollziehungswille in eindeutiger Weise manifestiert werden sollte.
Die noch innerhalb der Monatsfrist vorgenommene Amtszustellung des Unterlassungstitels erfüllt nicht die Anforderungen einer Vollziehung iSv. § 929 Abs. 2 ZPO. Diese genügt für die Vollziehung nicht, weil ihr – da vom Gericht veranlasst – das „spezifisch-vollstreckungsrechtliche Element” fehlt, dass der Gläubiger tätig wird und seinen Willen kundgibt, von dem Titel zwangsweise Gebrauch zu machen (BAG v. 18.09.2007 – 9 AZR 672/06 a.a.O.; BGH v. 22.10.1992 – IX ZR 36/92 a.a.O.; OLG Oldenburg 14.09.21...