Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung des Einkommens des Ehepartners bei Prozesskostenhilfeantrag. Prozesskostenvorschuss als Vermögen des PKH-Antragstellers. Anspruch auf Prozesskostenvorschuss für Kündigungsschutzklage. Kein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss für Klage auf Entgelt. Anspruch auf Prozesskostenvorschuss nur für laufendes Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Rahmen der Prozesskostenhilfe gehört zum einzusetzenden Einkommen nur das eigene Einkommen der Prozesskostenhilfepartei, nicht hingegen das ihrer oder ihres Ehegatt*en. Soweit gegen die oder den Ehegatt*en nach § 1360a Absatz 4 BGB ein unterhaltsrechtlicher Anspruch auf Prozesskostenvorschuss besteht, ist dieser als Vermögen der Prozesskostenhilfepartei zu berücksichtigten.

2. Ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss kommt nur bei persönlichen Angelegenheiten der Prozesskostenhilfepartei in Betracht. Dazu muss der Rechtsstreit eine genügend enge Verbindung zur Person der Prozesskostehilfepartei haben. Dies ist im Bereich des Arbeitsrechts bei Bestandsschutzstreitigkeiten gegeben, aber nicht bei Entgeltklagen.

3. Ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss besteht nur für ein zukünftiges oder noch laufendes Verfahren. Wird über einen Prozesskostenhilfeantrag erst nach dem Abschluss des Verfahrens entschieden, kann der Prozesskostenhilfepartei der Anspruch grundsätzlich nicht mehr entgegengehalten werden. Er ist als fiktives Vermögen zu berücksichtigen, wenn die Partei die Entscheidung mutwillig verzögert und damit den Wegfall des Anspruchs mutwillig herbeigeführt hat.

 

Normenkette

ZPO § 115; BGB § 1360a Abs. 4; ZPO § 127 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 24.08.2022; Aktenzeichen 37 Ca 10633/21)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der früheren Klägerin wird - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 24. August 2022 - 37 Ca 10633/21 - teilweise abgeändert:

Der früheren Klägerin wird für die erste Instanz Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt Tobias H. für den Kündigungsschutzantrag und den Zahlungsantrag im Umfang von ...... Euro brutto mit Wirkung ab dem 12. November 2021 bewilligt.

Die Bewilligung erfolgt mit der Maßgabe, dass hinsichtlich der Prozesskosten vorläufig kein eigener Beitrag zu zahlen ist.

II. Gerichtsgebühren werden nicht erhoben.

III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. In dem Beschwerdeverfahren wendet sich die frühere Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Klägerin) gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe.

In dem dem Prozesskostenhilfeverfahren zugrundeliegenden Rechtsstreit machte die Klägerin die Unwirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung während der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses geltend sowie weiteres Arbeitsentgelt für geleistete Arbeitsstunden und ihrer Ansicht nach zu Unrecht abgezogene Pausenzeiten in Höhe von ......... Euro brutto. Mit Schriftsatz vom 30. November 2021 reduzierte sie die Zahlungsforderung auf ....... Euro brutto. Ferner beantragte sie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten und reichte am 12. November 2021 eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die ihres Ehemanns nebst Belegen ein. Der Rechtsstreit endete durch einen unter dem 20. Juli 2022 abgeschlossenen Vergleich.

Mit Beschluss vom 24. August 2022 hat das Arbeitsgericht den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin zurückgewiesen, weil die Prozesskosten unter Berücksichtigung des Einkommens ihres Ehemanns und dem sich daraus ergebenden Anspruch auf Prozesskostenvorschuss vier von der Klägerin zu leistende Monatsraten nicht überstiegen. Gegen diesen der Klägerin am 29. August 2022 zugestellten Beschluss hat sie mit am 19. September 2022 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und neben Unklarheiten der Berechnung unter anderem auf eine Aufstellung der Schulden ihres Ehemanns in Umfang von .......... Euro verwiesen. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2022 hat die Bezirksrevisorin die Berechnung der zu leistenden Raten näher erläutert und angeregt, gegebenenfalls weitere Entgeltabrechnungen des Ehemanns zu den Akten zu reichen. Mit Beschluss vom 19. Oktober 2022 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Mit am 9. November 2022 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin weitere Entgeltabrechnungen ihres Ehemanns eingereicht und nochmals auf die Höhe der Schulden ihres Ehemanns verwiesen.

II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin hat in dem aus dem Tenor dieses Beschlusses ergebenden Umfang Erfolg.

1. Nach § 78 Satz 1 ArbGG gelten für Beschwerden gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte die für Beschwerden gegen Entscheidungen der Amtsgerichte maßgebenden Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Ebenso gelten im arbeitsgerichtlichen Verfahren nach § 11a Abs. 1 ArbGG die Vorschriften der Zivilprozessordnung ü...

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