Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsanspruch des Betriebsrats gegen zu erwartende Verstöße gegen Mitbestimmungsrecht. Einplanung von Leiharbeitnehmern als mitbestimmungspflichtige Fälle. Klare Erkennbarkeit für Bestimmtheit des Unterlassungsanspruches
Leitsatz (redaktionell)
Alle Sachverhalte im Zusammenhang mit der Frage nach Mitbestimmungsrechten gehören zu den betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten.
Mitbestimmungsrechte sind auch in dringenden Fällen zu beachten.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1; ArbGG § 2a Abs. 1 Nr. 1; BetrVG § 23 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 15.02.2019; Aktenzeichen 7 BV 6309/18) |
Tenor
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2.) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 15. Februar 2019 - 7 BV 6309/18 - wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates im Hinblick auf von der Arbeitgeberin ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrates vorgenommene Dienstplanänderungen.
Die Beteiligte zu 2) unterhält bundesweit mehrere Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser und Integrationszentren, so auch eine Altenpflegeeinrichtung mit ca. 87 Arbeitnehmern in Berlin. Der Beteiligte zu 1) (nachfolgend: Betriebsrat) ist der aus fünf Mitgliedern bestehende bei der Arbeitgeberin in ihrem Betrieb "V. Senioren Centrum M. Viertel" gebildete Betriebsrat.
Im Betrieb der Arbeitgeberin besteht eine durch Spruch der Einigungsstelle zustande gekommene Betriebsvereinbarung zur Arbeits- und Pausenzeit sowie Dienstplangestaltung (Bl. 6 -21 d. A.), in der Regelung zur Dienstplangestaltung einschließlich des Verfahrens sowie Regelungen zur Änderungen von Dienstplänen enthalten sind. Dienstpläne werden danach für die einzelnen Wohnbereiche drei Monate vor ihrer jeweiligen Geltung dem Betriebsrat zur Zustimmung vorgelegt. Die jeweiligen Stammkräfte werden darin namentlich einzelnen Schichten zugeordnet. Eingeplante Leiharbeitnehmer, sog. Leasingkräfte werden darin noch nicht namentlich bezeichnet, sondern für ihren Einsatz als Platzhalter "Leasingkraft 1, Leasingkraft 2" usw. verwendet. Die konkreten Namen erhält der Betriebsrat dann später auf gesonderten Listen mitgeteilt. Die Dienstpläne werden als Betriebsvereinbarung geschlossen und von beiden Seiten unterzeichnet. Das Verfahren zur Änderung der mitbestimmten Dienstpläne regelt § 8 dieser Betriebsvereinbarung wie folgt:
"(...)
§ 8 Änderung der mitbestimmten Dienstpläne
(1) Die genehmigten Dienstpläne sind jeweils eine Betriebsvereinbarung, die ohne vorherige Genehmigung des Betriebsrates nur im Rahmen der durch diese Betriebsvereinbarung geregelten Sachverhalte noch geändert werden darf.
(2) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, vor einer Änderung eines bestehenden Dienstplanes, die nicht entsprechend Absatz 3 erfolgt, die Zustimmung des Betriebsrates hierzu einzuholen. Gelingt dies nicht, ist der Arbeitgeber ausschließlich unter den Voraussetzungen und nach den Regeln gemäß § 3 dieser Betriebsvereinbarung berechtigt, eine Änderung des Dienstplanes ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrates anzuordnen.
(3) Der Betriebsrat stimmt einer Dienstplanänderung durch Diensttausch nach nachstehenden Regeln bereits vorab zu. Bei vergleichbarer Qualifikation können Beschäftigte Dienste untereinander tauschen, wenn mit den getauchten Diensten nicht gegen Festlegungen in dieser Betriebsvereinbarung oder gegen das Arbeitszeitgesetz verstoßen wird. Ein etwaiger Tauschwunsch ist zunächst zwischen den Beschäftigten abzustimmen und sodann dem Vorgesetzen zur Genehmigung vorzulegen.
(4) Sämtliche Änderungen der genehmigten Dienstpläne werden in den Ist-Dienstplänen dokumentiert.
(5) Nach Ablauf des Dienstplanzeitraums werden die Dienstpläne in der abgerechneten Fassung dem Betriebsrat bis spätestens zum 12. des Folgemonats in Abschrift vorgelegt.
(...)"
In § 3 dieser Betriebsvereinbarung sind Regelungen für die Verlängerung der dienstplanmäßigen Arbeitszeit bei Notfälle enthalten, z. B. für den unvorhergesehenen Ausfall eines Beschäftigten und Nichterreichbarkeit des Betriebsrats sowie eine unvorhergesehene unaufschiebbare Arbeitsaufgabe.
In den Dienstplänen für die Monate April und Mai 2018 wurden auf diese Art neben der Stammbelegschaft auch Leiharbeitnehmer als sog. Leasingkräfte in die entsprechenden Dienstplänen eingeplant und vom Betriebsrat die Zustimmung zu den Dienstplänen erteilt.
Ende April 2018 erfuhr der Betriebsrat, dass die Arbeitgeberin beabsichtigte, entgegen den mitbestimmten Dienstplänen für April und Mai 2018 auf den Einsatz der dort eingeplanten Leiharbeitnehmer zu verzichten.
Nachdem ein innerbetrieblicher Klärungsversuch erfolglos blieb, beschloss der Betriebsrat mit vier seiner fünf Mitglieder in einer Sondersitzung am 3. Mai 2018, die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten zu beauftragen, dem Arbeitgeber u. a. im Wege der einstweiligen Verfügung unter Androhung eines Ordnungsgeldes untersagen zu lassen, die genehmigten Dienstpläne einseitig zu ä...