Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwalt als Sachverständiger für den Betriebsrat. Erforderlichkeit. Erstattung der Kosten für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Betriebsrat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Abgrenzung der Kostentragungspflicht für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Betriebsrat nach § 80 Abs. 3 BetrVG oder § 40 BetrVG.

2. Für die Beantwortung der Frage, ob dem Betriebsrat aufgrund eines bestimmten Sachverhalts Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG zustehen und wie er diese ausüben kann, ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes als Sachverständiger nach § 80 Abs. 3 BetrVG in der Regel nicht erforderlich. Solche Fragen sind Gegenstand von Schulungsveranstaltungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG, die nach den gesetzlichen Regelungen das primäre Instrument des Betriebsrats zur Erlangung der Kenntnisse, die seine ureigenen Funktionen betreffen, darstellen.

 

Normenkette

BetrVG § 40 Abs. 1, § 80 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 23.02.2012; Aktenzeichen 33 BV 17740/11)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 25.06.2014; Aktenzeichen 7 ABR 70/12)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 23.02.2012 - 33 BV 17740/11 - teilweise abgeändert und die Anträge des Betriebsrats insgesamt zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

1. Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Betriebsrats auf Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Beurteilung der Frage, ob ihm für bestimmte Sachverhalte ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG zusteht.

Die Beteiligte zu 2 (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt in Berlin ein Altenheim und beschäftigt 65 Arbeitnehmer. Der Beteiligte zu 1 ist der dort gebildete Betriebsrat mit 5 Mitgliedern (im Folgenden Betriebsrat). Er besteht in seiner jetzigen Zusammensetzung seit 2011. Zwei seiner Mitglieder, so auch die Vorsitzende, gehörten bereits in früheren Wahlperioden dem Betriebsrat an.

Die Arbeitgeberin zahlte von August 2010 bis April 2011 den 20 bei ihr beschäftigten Pflegehelfern monatlich neben einem vereinbarten "Festlohn Pflege" ein auf den Gehaltsabrechnungen mit "Leistungszulage Pflege" ausgewiesenen Vergütungsbestandteil, dessen Höhe sich auf die jeweilige Differenz zwischen dem individuellen Festlohn des Mitarbeiters und einem Gesamtbetrag in Höhe von 1.475,00 € belief. Ab Mai 2011 stellte die Arbeitgeberin diese Zahlung auf einen einheitlichen "Festlohn Pflege" in Höhe von 1.475,00 € brutto um (Bl. 47 d.A.). Eine Beteiligung des Betriebsrats erfolgte hier nicht. In Zahlungsklagen von Arbeitnehmern berief sich die Arbeitgeberin darauf, sie habe mit der Zulage den Anforderungen der am 1. August 2010 in Kraft getretenen Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (Pflegearbeitsbedingungen VO) genügen wollen. Mit Urteil vom 10. November 2011 (14 Sa 1448/11) wies das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg im Berufungsverfahren eine entsprechende Zahlungsklage mit der Begründung ab, der als "Leistungslohn Pflege" bezeichnete Betrag von 75,-- € sei als mindestlohnwirksame Leistung zu berücksichtigen. Für die Einzelheiten der Begründung wird auf die zu den Akten gereichte Kopie des Urteils (Bl. 149-162 d.A.) Bezug genommen.

Die Arbeitgeberin gewährte außerdem den examinierten Pflegekräften, den Pflegehelfern und den Mitarbeitern im Servicebereich Nacht-, Feiertags- und Sonntagszuschläge, die sie zunächst auf der Basis des Grundgehalts berechnete. Zu einem zwischen den Beteiligten streitigen Zeitpunkt führte die Arbeitgeberin ohne Beteiligung des Betriebesrats zur Berechnung der Zuschläge für die Pflegehelfer unterschiedliche Faktoren ein, so z.B. den Faktor 1,02 € für Nachtzuschläge, den Faktor 2,02 € (Kopie der Abrechnungen Bl. 78, 80 u.81 d.A.) und 2,09 € (Bl. 73 d.A.) für den Sonntagszuschlag und 2,83 € für den Feiertagszuschlag. Der Bitte des Betriebsrats, die Abrechnungen der Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge nach Faktoren zu erläutern und aufzuschlüsseln, kam die Arbeitgeberin nicht nach.

In seiner Sitzung vom 25. August 2011 beschloss der Betriebsrat den hiesigen Verfahrensbevollmächtigten als Sachverständigen gemäß § 80 Abs. 3 BetrVG zur Beantwortung der Fragen, welche Rechte ihm "in Bezug auf die vom Arbeitgeber eingeführte "Leistungszulage" für die Pflegehelfer" sowie "in Bezug auf die einseitige Kürzung von Nacht- Sonn-, und Feiertagszuschläge durch die Arbeitgeberin sowie die Einführung einer neuen Art der Abrechnung nach Faktoren" zustehen und wie er diese gegenüber der Arbeitgeberin durchsetzen könne. Für die Beschlüsse im Einzelnen wird auf Bl. 95 und 96 d.A. Bezug genommen.

Mit zwei Schreiben vom 26. August 2011 (Bl. 99 u. 100 d.A.) bat der Betriebsrat die Arbeitgeberin unter Hinweis auf die voraussichtlich erforderliche Stundenzahl um Zustimmung zur Beauftragung der hiesigen Verfahrensbevollmächtigten als Sachverständige. Dies lehnte die Arbeitgeberin mit Schreiben vom 7. September 2011 (Bl. 93 f. d.A.) mit der Begründung ab,...

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