Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhung des Gegenstandswerts durch das Stellen eines Weiterbeschäftigungsantrags durch den Klägervertreter
Leitsatz (redaktionell)
Die Werte von Haupt- und Hilfsanträgen sind bei der Kostenberechnung nach § 45 Abs. 1 S. 2 GKG grundsätzlich zusammenzurechnen, sofern auch über den Hilfsantrag eine Entscheidung ergeht, oder der Rechtsstreit auch insoweit nach § 45 Abs. 4 GKG durch Vergleich erledigt wird. Eine Ausnahme hiervon ist für den Fall anzunehmen, dass die Anträge denselben Gegenstand betreffen. In diesem Fall ist gemäß § 45 Abs. 1 S. 3 GKG lediglich der höhere Wert maßgebend. Hierbei handelt es sich um einen selbstständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine wirtschaftliche Betrachtung erfordert. Ein vom streitigen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängiger Annahmeverzugsanspruch wirkt demnach streitwerterhöhend, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht oder er in einem Vergleich sachlich mitgeregelt wird.
Normenkette
GKG § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 03.04.2023; Aktenzeichen 48 Ca 3529/22) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. April 2023 - 48 Ca 3529/22 - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - teilweise abgeändert und der Gegenstandswert für das Verfahren auf 37.412,20 Euro sowie für den Vergleich - unter Berücksichtigung eines Vergleichsmehrwerts in Höhe von 6.497 Euro - auf 43.909,20 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Klägervertreter macht im Rahmen der Beschwerde geltend, der Weiterbeschäftigungsantrag habe den Gegenstandswert erhöht. Auch die geltend gemachten Annahmeverzugsansprüche seien zu berücksichtigen. Die Regelung bezüglich des Zeugnisses im Vergleich rechtfertige einen Vergleichsmehrwert.
Die Parteien haben über die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten. Die Klageschrift enthielt einen Kündigungsschutzantrag und einen allgemeinen Feststellungsantrag, die Klageerweiterung vom 13. Oktober 2022 einen mit Annahmeverzugsansprüchen begründeten Hilfsantrag. Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2022 hat die Klägerin die Klage erneut erweitert, und zwar um einen Weiterbeschäftigungsantrag bezogen auf eine Tätigkeit als Area Director of Sales & Marketing bei einer Vergütung in Höhe von 6.797 Euro brutto zu im Übrigen den bisherigen Bedingungen, hilfsweise - für den Fall des Unterliegens mit diesem Weiterbeschäftigungsantrag, die Beklagte zu verurteilen, sie über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zu den bisherigen Bedingungen als Director Digital Sales weiterzubeschäftigen. Zugleich hat die Klägerin mit diesem Schriftsatz auch die Klage hinsichtlich einer Annahmeverzugsforderung erweitert. Mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2022 hat die Klägerin die Klage nochmals hinsichtlich weiterer Annahmeverzugsansprüche erweitert. Insgesamt hat sie Annahmeverzugsvergütung in Höhe von 45.479 Euro brutto abzüglich 14.563,80 Euro (wegen übergegangener Forderungen) geltend gemacht.
In der Verhandlung vom 25. Januar 2023 schlossen die Parteien einen widerruflichen Vergleich. Dieser ist seitens der Klägerin mit der Begründung widerrufen worden, dass noch keine Einigung über den Zeugnisinhalt habe erzielt werden können. Mit Beschluss vom 23. Februar 2023 hat das Arbeitsgericht sodann das Zustandekommen eines Vergleichs festgestellt, in dem sich die Parteien zusätzlich auf einen konkreten Zeugnisinhalt verständigt haben. Den Gegenstandswert hat das Arbeitsgericht auf 19.491 Euro (drei Bruttoeinkommen) festgesetzt. Der Weiterbeschäftigungsantrag erhöhe den Wert nicht, da es sich um einen unechten Hilfsantrag gehandelt habe, über den nicht entschieden worden sei. Der Antrag bezügliche der Annahmeverzugsansprüche habe den Gegenstandswert ebenfalls als Hilfsantrag nicht erhöht, da über ihn eine Entscheidung nicht getroffen worden sei. Ein Vergleichsmehrwert für das Zeugnis sei nicht angefallen. Es habe sich nicht um eine verhaltensbedingte Kündigung gehandelt. Im Rahmen des Vergleichs seien auch nicht Streit oder Ungewissheit hinsichtlich der Zeugnisnote beigelegt worden. Unstimmigkeiten über den Zeugnisinhalt seien erst im Rahmen der Vergleichsverhandlungen aufgekommen. Bei der Regelung im Vergleich sei es daher darum gegangen, künftigen Streit über den Zeugnisinhalt zu vermeiden.
Der Klägervertreter macht mit der Beschwerde geltend, der Weiterbeschäftigungsantrag sei mit einem Bruttoeinkommen zu berücksichtigen gewesen. Bei dem Antrag habe es sich nicht um einen Hilfsantrag gehandelt. Er sei unbedingt formuliert gewesen und daher auch entsprechend zu verstehen. Es sei auch nicht nur darum gegangen, dass die Klägerin lediglich bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens habe weiterbeschäftigt werden sollen. Vielmehr sei es um die Beschäftigung mit einer ganz konkreten Arbeitsaufgabe gegangen in Abweichung von der zuletzt ausgeübten Tätigkeit. Dass es sich nicht um einen Hilfsantrag gehandelt habe, ergebe sich auch aus der Antragstellung im Rahmen der Verhandl...