Entscheidungsstichwort (Thema)
Monatsvergütung als Streitwert bei behaupteter Freistellungsvereinbarung. Vergleichsmehrwert nur bei streitigen Forderungen
Leitsatz (amtlich)
1. Stand eine betriebsbedingte Kündigung im Streit oder fehlen Angaben über die Kündigungsgründe, bedarf es zur Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts für eine Zeugnisregelung regelmäßig näherer Angaben, aus denen ein im Zeitpunkt des Vergleichs bestehender Streit bzw. eine Ungewissheit über den Zeugnisanspruch geschlossen werden kann (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 22. Mai 2018 - 26 Ta (Kost) 6036/18; 8. März 2017 - 17 Ta (Kost) 6013/17, Rn. 4).
2. Gleiches gilt für eine Zeugnisregelung nach einem Streit über die Wirksamkeit einer Befristungsabrede, wobei vor allem auf die Gründe für die fehlende Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses abzustellen ist (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 6. Dezember 2017 - 17 Ta (Kost) 6112/17, zu 2 d der Gründe).
3. Nur wenn eine Partei sich eines Anspruchs auf oder eines Rechts zur Freistellung berühmt hat, wird die Freistellungsvereinbarung mit bis zu einer Monatsvergütung bewertet. Die Freistellung wird nur zukunftsbezogen ab dem Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses berücksichtigt, etwaige Zeiten einer Freistellung zuvor spielen keine Rolle (25.1.4. des Streitwertkatalogs für die Arbeitsgerichtsbarkeit).
Normenkette
RVG-VV Nr. 1000; RVG § 33 Abs. 9
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 18.06.2020; Aktenzeichen 21 Ca 8295/19) |
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 18. Juni 2020 - 21 Ca 8295/19 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Klägervertreterin macht mit der Beschwerde die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts geltend. Die Parteien stritten ua. über die Wirksamkeit einer Befristung. Sie haben sich im am 2. Juni 2020 durch das Arbeitsgericht festgestellten Vergleich ua. auf ein Zeugnis mit der Note "gut" geeinigt und auf eine Freistellung bis zum 31. Juli 2020.
Das Arbeitsgericht hat die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts abgelehnt. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat gegen den Beschluss vom 18. Juni 2020, zugestellt am 23. Juni 2020, mit einem bei dem Arbeitsgericht am 3. Juli 2020 eingegangenen Schriftsatz "Beschwerde" eingelegt und diese damit begründet, dass für das Zeugnis und die Freistellungsregelung jeweils ein Mehrwert in Höhe eines Bruttoeinkommens anzusetzen sei.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 7. Juli 2020 nicht abgeholfen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Ein Vergleichsmehrwert ist nicht angefallen.
1) Die anwaltliche Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht (Nr. 1000 Abs. 1 der Anlage 1 zum RVG). In den Wert eines Vergleichs sind daher die Werte aller rechtshängigen oder nichtrechtshängigen Ansprüche einzubeziehen, die zwischen den Parteien streitig oder ungewiss waren und die mit dem Vergleich geregelt wurden. Demgegenüber ist die bloße Begründung einer Leistungspflicht in dem Vergleich für den Vergleichsmehrwert ohne Bedeutung; denn es kommt für die Wertfestsetzung darauf an, worüber - und nicht worauf - die Parteien sich geeinigt haben. Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass durch den Vergleich ein Streit vermieden wurde. Ein Titulierungsinteresse kann nur dann berücksichtigt werden, wenn der geregelte Anspruch zwar unstreitig und gewiss, seine Durchsetzung aber ungewiss war (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 8. März 2017 - 17 Ta (Kost) 6013/17, Rn. 2).
Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts ist danach nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die Parteien während ihrer Vergleichsverhandlungen über die gerichtlich anhängigen Gegenstände weitere Ansprüche ansprechen und auch sie eine Regelung in dem Vergleich erfahren. Zwar wird eine Einigung der Parteien häufig nur zu erreichen sein, wenn derartige Vereinbarungen getroffen werden; denn die Parteien sind nicht selten nur dann zum Abschluss eines Vergleichs bereit, wenn weitere Fragen geregelt werden und ein diesbezüglicher zukünftiger Streit vermieden wird. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts, die zum Abschluss eines Vergleichs führt, ist jedoch mit der Einigungsgebühr als solcher abgegolten. Für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts und die damit verbundene Gebührenerhöhung muss darüber hinaus festgestellt werden, dass die geregelten Gegenstände vor Abschluss des Vergleichs streitig oder ungewiss waren. Hierzu genügen weder die Vergleichsverhandlungen als solche noch Regelungen, durch die Leistungspflichten erstmals begründet oder beseitigt werden, die Rechtsverhältnisse lediglich klarstellen oder auf sonstige Weise ausschließlich einen künftigen Streit der Parteien vermeiden. Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass eine der Parteien in den Vergl...