Entscheidungsstichwort (Thema)

Einbeziehung aller im Vergleich geregelten Ansprüche beim Vergleichswert

 

Leitsatz (amtlich)

1) Wehrt sich ein Arbeitnehmer gegen eine Änderung des Aufgabenbereichs, beträgt der Gegenstandswert in der Regel eine Bruttomonatsvergütung bis zu einem Vierteljahresentgelt, abhängig vom Grad der Belastungen aus der Änderung der Arbeitsbedingungen für die klagende Partei. Bei wirtschaftlichen Auswirkungen ist der dreijährige Differenzbetrag in Ansatz zu bringen, maximal aber drei Bruttoeinkommen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 9. Juli 2019 - 26 Ta (Kost) 6064/18).

2) Bei Klageanträgen die auf Feststellung der Unwirksamkeit einer Aufgabenübertragung und auf Beschäftigung mit den bisherigen Aufgaben gerichtet sind, besteht regelmäßig wirtschaftliche Identität, die zu einer Anrechnung der Werte führt. Die einzelnen Anträge sind daher nicht zusammenzurechnen, wenn die Parteien nicht unabhängig davon über den Beschäftigungsanspruch gestritten haben (vgl. dazu auch LAG Berlin-Brandenburg 3. Januar 2012 - 17 Ta (Kost) 6119/11).

3) Geht es in einem Rechtsstreit um die Frage, ob ein Belegschaftsmitglied verpflichtet ist, eine bestimmte Tätigkeit auszuüben, zB. nach einer Versetzung, und besteht kein Streit über die Frage, ob eine Freistellung von der Arbeitsleistung unabhängig davon beansprucht werden kann, führt eine Freistellungsvereinbarung in einem Vergleich, in dem die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart wird, idR. nicht zu einem Vergleichsmehrwert.

 

Normenkette

RVG §§ 33, 33 Abs. 9

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 05.09.2019; Aktenzeichen 6 Ca 10801/18)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 5. September 2019 - 6 Ca 10801/18 - teilweise abgeändert und der Gegenstandeswert für das Verfahren unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen um 4.326,70 Euro erhöht.

 

Gründe

I.

Das Arbeitsgericht hat für die gegen eine Weisung und auf Beschäftigung gerichteten Anträge zu 1 bis 3 insgesamt ein Bruttoeinkommen in Ansatz gebracht. Der Beschwerdeführer macht mit der Beschwerde geltend, die Anträge seien angesichts der Auswirkungen für den Kläger mit mindestens zwei Bruttoeinkommen zu bewerten. Außerdem sei ein Mehrwert für die im Vergleich im Zusammenhang mit einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbarte Freistellung zu berücksichtigen.

II.

Die am 27. September 2019 beim Arbeitsgericht Berlin eingegangene Beschwerde gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 5. September 2019, zugestellt am 16. September 2019, der das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 30. September 2019 nicht abgeholfen hat, ist teilweise begründet.

1) Für die Anträge zu 1 bis 3 aus der Klageschrift sind zwei Bruttoeinkommen in Ansatz zu bringen.

a) Wehrt sich ein Arbeitnehmer gegen eine Änderung des Aufgabenbereichs, beträgt der Gegenstandswert in der Regel eine Bruttomonatsvergütung bis zu einem Vierteljahresentgelt, abhängig vom Grad der Belastungen aus der Änderung der Arbeitsbedingungen für die klagende Partei. Bei wirtschaftlichen Auswirkungen ist der dreijährige Differenzbetrag in Ansatz zu bringen, maximal aber drei Bruttoeinkommen (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 9. Juli 2019 - 26 Ta (Kost) 6064/18).

b) Danach waren hier zwei Bruttoeinkommen a 4.326,70 Euro anzusetzen, da es um eine erhebliche Änderung der Arbeitsbedingungen ging. Der Kläger sollte nach dem Willen der Beklagten nicht mehr in einer Leitungsfunktion tätig sein.

Zwischen den Klageanträgen zu 1 bis 3 besteht allerdings wirtschaftliche Identität, die zu einer Anrechnung der Werte führt; die einzelnen Anträge waren daher nicht zusammenzurechnen. Mit allen Anträgen hat der Kläger das Ziel verfolgt, weiterhin der Büroleitertätigkeit nachgehen zu können. Dass die Parteien unabhängig davon über den Beschäftigungsanspruch des Klägers gestritten haben, ist weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. dazu auch LAG Berlin-Brandenburg 3. Januar 2012 - 17 Ta (Kost) 6119/11).

2) Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen. Die Vereinbarung der Freistellung im Vergleich rechtfertigt keine Erhöhung des Vergleichsmehrwerts.

a) Die anwaltliche Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht (Nr. 1000 Abs. 1 der Anlage 1 zum RVG). In den Wert eines Vergleichs sind daher die Werte aller rechtshängigen oder nichtrechtshängigen Ansprüche einzubeziehen, die zwischen den Parteien streitig oder ungewiss waren und die mit dem Vergleich geregelt wurden. Demgegenüber ist die bloße Begründung einer Leistungspflicht in dem Vergleich für den Vergleichsmehrwert ohne Bedeutung; denn es kommt für die Wertfestsetzung darauf an, worüber - und nicht worauf - die Parteien sich geeinigt haben. Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass durch den Vergleich ein Streit verm...

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