Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Berufungsfrist bei bewusst falschen Angaben im Prozesskostenhilfeverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Berufungsführer ist ohne Verschulden gehindert, die Berufungsfrist einzuhalten, wenn er während der Berufungsfrist einen ordnungsgemäßen Antrag auf Berichtigung der Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren gestellt hat und annehmen durfte, dass ihm Prozesskostenhilfe bewilligt wird. Hieran fehlt es, wenn bewusst unrichtige Angaben über das vorhandene Vermögen gemacht werden.

 

Normenkette

ZPO §§ 233, 522 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 17.09.2008; Aktenzeichen 64 Ca 60931/08)

 

Tenor

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. 09.2008 – 64 Ca 60931/08 – wird unter Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags vom 02.03.2009 auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten, für die Monate Dezember 2006 bis Oktober 2007 Sozialkassenbeiträge in Höhe von 10.942,76 EUR zu zahlen. Dabei ist zwischen den Parteien streitig, ob der Beklagte in dem streitbefangenen Zeitraum einen vom betrieblichen Anwendungsbereich des Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) ausgenommenen Malerbetrieb geführt hat.

Das Arbeitsgericht hat den Beklagten durch ein am 17. September 2008 verkündetes Urteil zur Zahlung der genannten Sozialkassenbeiträge verurteilt. Das Urteil wurde dem Beklagten am 17. November 2009 zugestellt.

Der Beklagte beantragte am 16. Dezember 2008, ihm Prozesskostenhilfe für die Durchführung des Berufungsverfahrens zu bewilligen. Dem Antrag war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 27. November 2009 beigefügt. Der Beklagte gab dort nicht an, dass er über zwei Konten bei der C. verfügte, die am 30. November 2009 ein Guthaben von 3.246,72 EUR bzw. 496,20 EUR aufwiesen.

Das Landesarbeitsgericht wies den Prozesskostenhilfeantrag durch Beschluss vom 9. Februar 2009 zurück, weil die Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe; der Beschluss wurde dem Beklagten am 16. Februar 2009 zugestellt. Der Beklagte legte am 2. März 2009 Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 17. September 2008 ein und beantragte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist; die Berufung wurde mit einem am 15. März 2009 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Der Beklagte hat am 15. Juli 2009 erneut die Bewilligung der Prozesskostenhilfe beantragt, wobei er ein Nettoeinkommen von 2.387,06 und monatliche Belastungen von 2.251,23 EUR angab. Auf Nachfrage des Gerichts gab der Beklagte an, er würde – anders als in der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse angegeben – zwei Darlehensraten von monatlich 500,00 EUR und 385,60 EUR derzeit nicht zahlen. Nachdem das Gericht festgestellt hatte, dass der Beklagte in den Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg 8 Sa 331/09 und 9 SHa 746/09 unrichtige bzw. unvollständige Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hatte, hat es den Beklagten erfolglos zu ergänzenden Angaben aufgefordert. Es hat daraufhin den Prozesskostenhilfeantrag durch Beschluss vom 14. September 2009 zurückgewiesen.

Nachdem der Beklagte in seiner Berufungsbegründungsschrift zunächst behauptet hatte, in seinem Betrieb seien in den Jahren 2006 und 2007 arbeitszeitlich überwiegend Malerarbeiten, also das Tapezieren und Streichen von Wänden, Fassaden und Maschinen ausgeführt worden, hat er – nach Durchführung einer Beweisaufnahme – zuletzt vorgetragen, es seien neben Malerarbeiten und sonstigen Bauarbeiten auch Wärmedämmverbundsystemarbeiten wie folgt ausgeübt worden:

2006:

Malerarbeiten 7.640 Stunden, Wärmedämmverbundsystemarbeiten

1.818 Stunden; sonstige Bauarbeiten 7.031 Stunden,

2007:

Malerarbeiten 8.383 Stunden, Wärmedämmverbundsystemarbeiten

4.023 Stunden, sonstige Bauarbeiten 10.811 Stunden.

Der Beklagte hält seinen Wiedereinsetzungsantrag für begründet, weil er von einer Bewilligung der Prozesskostenhilfe habe ausgehen müssen. Die fehlende Angabe der Konten bei der C. seien – so meint der Beklagte – unschädlich, weil die Kosten des Berufungsverfahrens unter Berücksichtigung eines Schonvermögens von 2.600,00 EUR durch das auf den Konten befindliche Guthaben nicht hätten gedeckt werden können. Der Beklagte ist zudem der Auffassung, die in seinem Betrieb während des streitbefangenen Zeitraums geleisteten Arbeiten stünden einer Anwendung des VTV entgegen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage unter Änderung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. September 2009 – 64 Ca 60931/08 – abzuweisen und ihm gegen die Versäumung der Berufungsfrist und der Berufungsbegründungsfrist

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält die Berufu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?