Entscheidungsstichwort (Thema)
Kinderbezogener Entgeltbestandteil im Ortszuschlag nach TVÜ-L. Auslegung des § 11 Abs. 1 S. 1 TVÜ-L. Geltung der Grundsätze zum Ortszuschlag bei Besitzstandszulage
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach der Auslegung des § 11 Abs. 1 S. 1 TVÜ-L ist eine Besitzzulage nur dann zu zahlen, wenn ein ununterbrochener Kindergeldbezug vorliegt. Die Zahlung der Besitzstandszulage ist an den per Bescheid festgesetzten Kindergeldbezug gekoppelt.
2. Die von der Rechtsprechung für kinderbezogene Entgeltbestandteile im Ortszuschlag entwickelten Grundsätze gelten für die Besitzstandszulage nach § 11 TVÜ-L.
Normenkette
TVÜ-L § 11; BAT § 29; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Cottbus (Entscheidung vom 16.03.2021; Aktenzeichen 6 Ca 717/20) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Cottbus vom 16.02.2021 - 6 Ca 717/20 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf den kinderbezogenen Entgeltbestandteil im Ortszuschlag nach dem TVÜ-L.
Die Klägerin ist Tarifbeschäftigte des beklagten Landes. Dienststelle ist die Zentrale Bezügestelle des Landes Brandenburg (ZBB). Für ihre am 12.07.1990 geborene Tochter Lisett T. beantragte die Klägerin ab September 2012 die Gewährung von Kindergeld bei der Familienkasse der ZBB. Die Familienkasse lehnte mit Bescheid vom 29.05.2013 die Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum von September 2012 bis einschließlich Mai 2013 ab (Anlage K 4, Blatt 28 der Akte). Mit Bescheid vom 26.02.2015 lehnte die Familienkasse die erneut beantragte Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum vom 01.09.2012 bis 30.09.2014 ab, weil das Ausbildungsverhältnis der Tochter aufgrund dualer Ausgestaltung nicht als Ausbildung gemäß § 32 EStG zu qualifizieren sei (Anlage K 1, Blatt 15 der Akte). Gegen den Bescheid erhob die Klägerin Einspruch und Klage beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg (Az.: 3 K 3221/15). Mit Urteil vom 11.11.2015 wurde die Klage abgewiesen (Anlage K 2, Blatt 16 fortfolgende der Akte). Auf Hinweis des Gerichts zum Bescheid vom 29.05.2013 nahm die Klägerin die Klage auf Gewährung von Kindergeld für den Zeitraum von September 2012 bis Mai 2013 zurück; insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11.11.2015 (Anlage K 5, Blatt 29 folgend der Akte) verwiesen. Der Bundesfinanzhof hob mit Urteil vom 08.09.2016 das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg auf und verpflichtete die ZBB zur Zahlung von Kindergeld für den Zeitraum von Juni 2013 bis September 2014 (Az.: III R 27/15; Anlage K 3, Blatt 22 fortfolgende der Akte). Die ZBB gewährte der Klägerin daraufhin Kindergeld ab Juni 2013 bis zum Ende des Kindergeldzeitraums im Juni 2015. Die Klägerin beantragte erneut Kindergeld für den Zeitraum von September 2012 bis Mai 2013. Der Antrag wurde abgelehnt. Gegen die abweisende Einspruchsentscheidung erhob die Klägerin Klage beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg (Az.: 1 K 1090/18), welche mit Urteil vom 22.05.2019 abgewiesen wurde (Anlage K 6, Blatt 31 fortfolgende der Akte). Jedenfalls sei der Ablehnungsbescheid vom 26.02.2015 wegen der Klagerücknahme bestandskräftig geworden; der Kindergeldfestsetzung stehe daher die Bestandskraft der Ablehnung des Kindergeldantrages für den streitigen Zeitraum entgegen.
Das beklagte Land leistete für den gesamten Streitzeitraum keinen kinderbezogenen Entgeltbestandteil im Ortszuschlag.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die prozessuale Nichtdurchsetzbarkeit des Anspruchs auf Kindergeld für den Zeitraum von September 2012 bis Mai 2013 aufgrund der Klagerücknahme und damit die Unterbrechung der Kindergeldgewährung stehe dem Anspruch auf Zahlung des kinderbezogenen Entgeltbestandteils im Ortszuschlages nach § 11 TVÜ-L nicht entgegen. Zu berücksichtigen sei, dass der Bescheid vom 29.05.2013, wegen dem die Klagerücknahme erfolgte, materiell rechtswidrig sei. Dafür trage die Klägerin keine Verantwortung. Diese Sachverhaltskonstellation sei für § 11 TV-L einmalig. Daher sei fraglich, ob dem Wort "gezahlt" die Bedeutung zukommen könne, dass allein auf die Auszahlung abzustellen sei. Mit einzubeziehen sei auch die vorliegende Sachverhaltskonstellation einer durchgehenden Anspruchsberechtigung, die nur teilweise nicht durchsetzbar sei. Aufgrund der Formulierung der zweiten Alternative des §§ 11 TVÜ-L "gezahlt würde" sei für die erste Alternative eine Regelungslücke anzunehmen, die am Maßstab der zweiten Alternative zu schließen sei. Aus dem Tarifvertrag ergäben sich keinerlei Anhaltspunkte, dass der Anspruch nur auf Grundlage der Bindungswirkung eines Bescheides der Familienkasse verwirklicht werden könne. Auch das Bundesarbeitsgericht knüpfe in seiner Entscheidung zum Az. 6 AZR 711/11 an den Anspruch auf Entgeltberechtigung nach dem Einkommensteuergesetz an. Diese Berechtigung sei durch den Bundesfinanzhof festgestellt worden. Der vom beklagten Land gewünschte Automatismus beruhe alle...