Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankengeldzuschuss im Teilzeitarbeitsverhältnis neben Rentenbezug wegen teilweiser Erwerbsminderung. Zahlungsklage einer schwerbehinderten Angestellten im Erziehungsdienst
Leitsatz (amtlich)
§ 22 Abs. 4 S. 2 TV-L schließt Ansprüche auf Krankengeldzuschuss in einem Arbeitsverhältnis, das neben einem Bezug einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung als Teilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt wird, nicht aus.
Normenkette
TV-L § 22 Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 05.03.2015; Aktenzeichen 33 Ca 16665/14) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 05.03.2015 - 33 Ca 16665/15 - teilweise abgeändert:
1. Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin
287,86 EUR brutto (zweihundertsiebenundachtzig, 86/100)
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2014 aus 162,05 EUR und aus 125,81 EUR seit dem 01.11.2014 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass das beklagte Land auch über den 30.09.2014 hinaus verpflichtet ist, an die Klägerin bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 22 Abs. 2, 3 TV-L Krankengeldzuschuss nach § 22 Abs. 2, 3 TV-L in Verbindung mit § 13 Abs. 1, 2 TVÜ-L in der jeweils für das Land Berlin geltenden Fassung zu zahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin zu 1/10 und das beklagte Land zu 9/10 zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung eines Krankengeldzuschusses.
Die Klägerin ist seit 1. April 1979 beim beklagten Land als Angestellte im Erziehungsdienst tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden gemäß arbeitsvertraglicher Vereinbarung die für das Land Berlin geltenden Tarifverträge Anwendung.
Die als Mensch mit Schwerbehinderung anerkannte Klägerin erhält gemäß Bescheid vom 4. Dezember 2012 seit 1. März 2011 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Aufgrund des Antrags der Klägerin auf Weiterbeschäftigung auf einem geeigneten Arbeitsplatz wird die Klägerin seither mit einer Arbeitszeit von 51,28% einer Vollzeitbeschäftigten beschäftigt und erhält ein monatliches Entgelt von 1.795,47 Euro brutto bzw. 1.249,25 Euro netto. Die Klägerin war vom 14. Juli 2014 bis 10. November 2014 arbeitsunfähig krank. Das beklagte Land zahlte Entgeltfortzahlung für sechs Wochen und lehnte die von der Klägerin mit Schreiben vom 1. September 2014 geforderte Zahlung eines Krankengeldzuschusses unter Berufung auf § 22 Abs. 4 S. 2 TV-L ab.
Mit ihrer am 21. November 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin diesen Anspruch weiterverfolgt. § 22 Abs. 4 S. 2 TV-L solle verhindern, dass Beschäftigte aufgrund einer Erkrankung sowohl Renten- als auch Entgeltersatzleistungen erhielten. Um eine solche deckungsgleiche Leistung, wie sie auch der Regelung in § 22 Abs. 4 S. 3 TV-L zugrunde liege, gehe es vorliegend nicht. Das aufgrund der Teilzeitarbeit bezogene Entgelt sei ein zulässiger, nicht kongruenter Hinzuverdienst im Sinne des § 96a Abs. 2 SGB VI. Auch nach der Vorgängerregelung § 37 Abs. 3 S. 2a) BAT entfalle der Krankengeldzuschuss lediglich bei einer Rente wegen voller Erwerbsminderung. Sollte die tarifliche Regelung einen Krankengeldzuschuss in diesen Fällen ausschließen, wäre dies eine unzulässige Benachteiligung sowohl aufgrund Behinderung als auch aufgrund Teilzeitbeschäftigung. Es bestehe daher Anspruch auf einen Krankengeldzuschuss von 111,84 Euro für August, 162,05 Euro für September und 125,81 Euro für Oktober (zur Berechnung s. die Klageschrift vom 20. November 2014, Bl. 4, 5 d.A.)
Die Klägerin hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 399,70 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 111,84 Euro seit dem 01.09.2014, aus 162,05 EUR seit dem 01.10.2014 und aus 125,81 EUR seit dem 01.11.2014 zu zahlen,
2. festzustellen, dass der Beklagte auch über den 30.09.2014 hinaus verpflichtet ist, an die Klägerin Krankengeldzuschuss nach § 22 Abs. 2, 3 TV-L in Verbindung mit § 13 Abs. 1, 2 TVÜ-L in der jeweils für das Land Berlin geltenden Fassung zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Gemäß § 22 Abs. 4 S. 2 TV-L bestehe ab Bezug der Rente kein Anspruch auf einen Krankengeldzuschuss mehr. Grund für die Rente sei eine Erkrankung, die es der berechtigten Person unmöglich mache, vollständig für ihren Unterhalt zu sorgen. Die Klägerin sei mit der Teilerwerbsminderungsrente und dem Krankengeld nicht schlechter gestellt als bei Bezug einer vollen Erwerbsminderungsrente.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage durch Urteil vom 5. März 2015 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Es bestehe kein Anspruch auf einen Zuschuss zum Krankengeld, weil es sich auch bei der Rente aufgrund teilweiser Erwerbsminderung um eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung im Sinne des § 22 Abs. 4 S. 2 TV-L handle. Dies entspreche dem Wortlaut und der zugrunde liegenden Annahme der Tarifvertragsparteien, dem Krankengeldzuschuss komme dieselbe En...