Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung ohne Sachgrund. Benachteiligung eines Betriebsratsmitglieds
Leitsatz (amtlich)
1) § 14 Abs. 2 TzBfG ist nicht unionsrechtskonform dahingehend einzuschränken, dass er auf befristete Arbeitsverträge von Betriebsräten keine Anwendung findet.
2) Aus dem Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG kann ein Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages folgen. Die Darlegungs- und Beweislast für eine derartige Benachteiligung wegen der Betriebsratsarbeit trägt der Arbeitnehmer.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 2; BetrVG § 78 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Urteil vom 15.06.2011; Aktenzeichen 10 Ca 4964/11) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 15.06.2011 – 10 Ca 4964/11 – wird auf seine Kosten bei einem Streitwert von 7.334,40 Euro zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Fortsetzung seines befristeten Arbeitsvertrages über den 31.01.2011 hinaus, die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe einer Willenserklärung zum Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages sowie seine Weiterbeschäftigung zu unveränderten Arbeitsbedingungen.
Der Kläger war bei der Beklagten, die in Berlin ein Call Center mit regelmäßig über 500 Beschäftigten betreibt, als Telefonagent aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages vom 12.01.2010 gemäß § 14 Abs. 2 TzBfG für die Zeit vom 01.02.2009 bis einschließlich 31.10.2010 beschäftigt (vgl. den Arbeitsvertrag in Kopie, Bl. 5-14 d.A.). Dieser Vertrag wurde durch die Parteien am 02.11.2009 zunächst bis zum 31.07.2010 verlängert (vgl. die Verlängerung vom 02.11.2009 in Kopie, Bl. 14 d.A.) zuletzt durch die Verlängerung vom 21.04.2010 zum 31.01.2011 (vgl. die Verlängerung vom 21.04.2010 in Kopie, Bl. 17 d.A.).
Im Mai 2010 wurde der Kläger aufgrund der erstmaligen Betriebsratswahl in den Betriebsrat gewählt und wurde dessen Vorsitzender. Er und ein weiteres Betriebsratsmitglied wurden freigestellt gemäß § 38 Abs. 1 BetrVG. Im Zusammenhang mit dieser Freistellung erhöhten die Parteien die wöchentliche Arbeitszeit von 32 auf 40 Std. pro Woche bei einer monatlichen Bruttovergütung von 1.466,88 Euro (vgl. die Vereinbarung vom 17.06.2010 in Kopie, Bl. 18 d.A.). Mit Schreiben vom 12.01.2011 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass mit Ablauf des befristeten Arbeitsvertrages am 31.01.2011 das Arbeitsverhältnis der Parteien enden werde.
Die Beklagte hat sechs weitere Betriebsratsmitglieder, die ebenfalls befristete Arbeitsverhältnisse hatten, nach dem Ablauf der Befristung unbefristet weiterbeschäftigt. Andererseits hat sie andere Arbeitnehmer, die wie der Kläger ein überdurchschnittliches Zwischenzeugnis oder Arbeitszeugnis erhielten, wie den Kläger nicht weiter über den Ablauf der befristeten Verträge hinaus beschäftigt. Vor der Beendigung des befristeten Vertrages des Klägers gab es zwei freigestellte Betriebsratsmitglieder bei der Beklagten, nachher ebenfalls.
Mit seiner beim Arbeitsgericht Berlin am 28.01.2011 eingegangenen Klage meint der Kläger, dass er durch die Nichtverlängerung des befristeten Arbeitsvertrages entgegen § 78 S. 2 BetrVG wegen seiner Tätigkeit im Betriebsrat benachteiligt worden sei und daher einen Anspruch auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses habe.
Das Arbeitsgericht Berlin hat die Klage insgesamt abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass durch die Nichterhebung einer ordnungsgemäßen Entfristungsklage nach § 17 TzBfG nach Ablauf der Klagefrist von drei Wochen die Befristung nach der zuletzt zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsverlängerung fiktiv rechtswirksam geworden sei gemäß §§ 17 S. 2 TzBfG; 5 KSchG. Die weiteren Ansprüche stütze der Kläger ohne Erfolg auf § 78 S. 2 BetrVG. Zwar dürfte der Kläger als Betriebsratsmitglied nach dieser Vorschrift weder benachteiligt noch begünstigt werden, dies gelte auch für seine berufliche Entwicklung. Ein Verstoß gegen dieses Benachteiligungsverbot liege jedoch nicht vor, da der Kläger nach seinem Vortrag nicht wegen seiner Betriebsratstätigkeit benachteiligt worden sei. Vielmehr sei unstreitig, dass bis auf den Kläger und einen weiteren Arbeitnehmer, der in den Betriebsrat gewählt worden sei, sämtliche übrigen Betriebsratsmitglieder, die ebenfalls im Rahmen befristeter Arbeitsverhältnisse gestanden hätten, in ein unbefristete Arbeitsverhältnis übernommen worden seien. Schon von daher erweise sich die Klage als unschlüssig. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang gelten mache, durch die Regelung in § 78 S. 2 BetrVG müsse es dem Arbeitgeber auch verwehrt werden können, in unzulässiger Weise auf die Zusammensetzung des Betriebsrats Einfluss nehmen zu können, könne dies zutreffend sein. Der Kläger habe aber keine (Indiz-)Tatsachen vorgetragen, aus denen der Schluss gezogen werden könnte, dass die Beklagte wegen der Art der Amtsauführung durch den Kläger dessen Arbeitsverhältnis – im Gegensatz zu den übrigen, übernommenen Betriebsratsmitgl...