Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine wirksame Befristung bei Unklarheit über Zeitdauer eines Projektes. Befristung des Arbeitsverhältnisses bei zeitlich nicht absehbarem Projekt ohne Rechtfertigung
Leitsatz (amtlich)
Wenn zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht feststeht, ob das dem Vertrag zugrunde liegende Projekt befristet ist oder unbefristet fortgeführt wird, rechtfertigt das nicht die Befristung des Arbeitsverhältnisses.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 1; ArbGG § 64 Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 12.01.2021; Aktenzeichen 17 Ca 14421/20) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. Januar 2021 - 17 Ca 14421/20 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.
III. Der Gebührenwert für das Berufungsverfahren wird auf 24.033,08 EUR festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.
Die Klägerin ist 40 Jahre alt (geb. .... 1981) und seit dem 1. August 2017 bei der Beklagten als Bereichsleitung Trend- und Innovationscouting bei 40 Wochenstunden und einer Bruttomonatsvergütung von 6.008,27 EUR tätig.
Nach einer Befristung vom 1. August 2017 bis zum 31. Dezember 2017 wurde dieses Arbeitsverhältnis weiter vom 1. Januar 2018 bis 31. Juli 2019 befristet fortgesetzt. Mit Vertrag vom 1. Februar 2019 erfolgte eine weitere Verlängerung vom 1. August 2019 bis 31. Dezember 2020. Der Inhalt der Tätigkeit der Klägerin ergibt sich aus einer Stellenbeschreibung vom 7. Oktober 2019.
Die Beklagte ist eine Gesellschaft zur Außenwirtschaftsförderung und betreibt in ihrem Bereich "Trend- und Innovationsscouting" jedenfalls die Mitwirkung an der vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) zum Zwecke der digitalen Vernetzung geförderten "Digital Hub Initiative". Die Beklagte wurde 2009 durch die Zusammenführung der I. in G. GmbH und der Bundesagentur für A. gegründet. Die Bundesrepublik Deutschland ist Alleingesellschafterin. Die Beklagte betreibt Marketing für den Standort Deutschland.
Sie ist zudem im Bereich der Investorenanwerbung sowie des Bereitstellens von Außenwirtschaftsinformationen für in Deutschland ansässige Unternehmen tätig. Ihr Sitz ist in Berlin. Die Finanzierung der Beklagten erfolgte aufgrund der Zuwendungsbescheide des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi).
Mit der Klage vom 4. November 2020 wendet sich die Klägerin gegen die Wirksamkeit der Befristung. Es liege kein Sachgrund für die Befristung vor.
Die Beklagte beruft sich auf einen vorübergehenden Bedarf an der Arbeitsleistung der Klägerin aufgrund des Vorliegens eines zeitlich begrenzten Projekts in Gestalt der "Digital Hub Initiative". Das Projekt "Digital Hub Initiative" sei im Jahr 2016 vom BMWi ins Leben gerufen. Es sei ein Teilelement der Gesamtstrategie der Bundesregierung zur Digitalisierung.
Gegenstand sei die Entwicklung von Lösungsansätzen zur nationalen und internationalen Vernetzung zwischen Unternehmen und digitalen Start-Ups, welche die digitale Transformation in Deutschland adressieren würden.
Die Beklagte sei eine von verschiedenen durch das BMWi im Zusammenhang mit der "Digital Hub Initiative" beauftragte Beteiligte. Die Beklagte habe gemäß den Vorgaben des BMWi die Aufgabe, das Vorhaben international bekannt zu machen und bei der Anwerbung von internationalen Start-Ups, internationalen Kapitalgebern und internationalen Talenten für die "Digital Hubs" sowie beim Standort-Marketing unterstützend tätig zu sein. Zudem sollten Kollaborationen für die "Digital Hubs" ins Ausland angebahnt werden.
Eine nähere Darstellung findet sich in einer Projektbeschreibung 2019-2020. Dort sind drei Projektphasen beschrieben.
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 12. Januar 2021 stattgegeben. Die Beklagte habe nicht dargelegt, worin ihre Daueraufgaben bestehen würden. Es sei nicht deutlich geworden, welche belastbaren Anhaltspunkte die Beklagte am 1. Februar 2019 zum Abschluss eines lediglich befristeten Arbeitsvertrages hätten bewegen dürfen. Es sei nicht nachvollziehbar dargelegt, warum die Beklagte aus ihrer Sicht mit einem Auslaufen der Projektfinanzierung oder einem Projektabschluss mit Ablauf des 31. Dezember 2020 habe rechnen dürfen. Ein mögliches Auseinanderfallen von Projektfinanzierung und Befristung sei kein zugunsten der Beklagten streitender Umstand im Rahmen der Prognose. In diesem Zusammenhang sei hingegen unstreitig, dass der Beklagten der Zuwendungsbescheid des BMWi vom 19. März 2019 im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses durch die Parteien noch nicht bekannt gegeben worden sei. Selbst wenn die Beklagte entsprechend ihres Vorbringens den Inhalt des zu erwartenden Bescheides dennoch bereits gekannt haben sollte, sei ihre daraufhin getroffene Entscheidung nicht plausibel.
Denn der Zuwendungsbescheid betreffe nicht die Zeit bis zum 31. Dezember 2020, sondern lediglich das Kalenderjahr 2019. Eine Abhängigkeit des Beschäftigungsbedarfes von der Zuwend...