Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmissbräuchlichkeit einer 8 Jahre übersteigenden Befristung eines Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (amtlich)
Bei der Prüfung der Wirksamkeit einer Befristung ist eine Rechtsmissbrauchskontrolle veranlasst, wenn die Gesamtdauer der vereinbarten Befristung acht Jahre übersteigt. Dies ist auch dann der Fall, wenn befristete Beschäftigungen von insgesamt über acht Jahren einmalig sechs Monate unterbrochen wurden.
Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung aller Umstände kann bei Berufung auf ein drittmittelfinanziertes Projekt zur Begründung der Befristung eine langfristig fortlaufende Durchführung der zusätzlichen Aufgaben ohne aufgabenbedingt konkret absehbares Ende, eine nur teilweise Drittmittelfinanzierung und eine Überschneidung mit Daueraufgaben einen institutionellen Rechtsmissbrauch begründen.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 12.12.2018; Aktenzeichen 60 Ca 315/18) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. Dezember 2018 - 60 Ca 315/18 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung.
Die zum Zeitpunkt der Klageerhebung 47-jährige, einem Kind unterhaltspflichtige Klägerin ist seit 1. April 2010 bei der Beklagten auf der Grundlage folgender befristeter Arbeitsverträge, zuletzt gegen ein monatliches Bruttoentgelt von 2.700,00 Euro bei einer Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich tätig:
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Abschlussdatum |
Vertragslaufzeit |
1 |
31. März 2010 |
1. April 2010 bis 31. Dezember 2010 |
2 |
22. Dezember 2010 |
1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2011 |
3 |
19. Dezember 2011 |
1. Januar 2012 bis 31. Dezember 2012 |
4 |
20. Dezember 2012 |
1. Januar 2013 bis 31. Dezember 2013 |
5 |
4. Dezember 2013 |
1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2014 |
6 |
27. November 2014 |
1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2015 |
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Unterbrechung |
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7 |
12. Mai 2016 |
1. Juli 2016 bis 31. Dezember 2016 |
8 |
14. Dezember 2016 |
1. Januar 2017 bis 31. Dezember 2017 |
9 |
21. Juni 2017 |
1. Juli 2017 bis 31. Dezember 2018 |
Für die Zeit zwischen dem 1. Januar 2016 und dem 30. Juni 2016 wurde kein Vertrag geschlossen, nachdem die Klägerin Mutter wurde und Elternzeit beantragte. In diesem Zusammenhang teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 3. Juli 2015 mit, es könne zunächst nur Elternzeit bis zum Ende des befristeten Vertrages, also bis zum 31. Dezember 2015 bestätigt werden. Sobald eine neue Förderzusage des BMWi vorliege, erhalte sie einen neuen befristeten Vertrag und die entsprechende Bestätigung der Elternzeit bis 25. Juni 2016.
In den Verträgen ist jeweils in einer Präambel ausgeführt, das Bundesministerium für W. und T. (BMWi) fördere mit seinem Programm "Passgenaue Vermittlung Auszubildender an ausbildungswillige Unternehmen" bzw. "Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen bei der passgenauen Besetzung von Ausbildungsplätzen sowie bei der Integration von ausländischen Fachkräften" bzw. "Passgenaue Besetzung - Unterstützung von kleinen und mittleren Unternehmen bei der passgenauen Besetzung von Ausbildungsplätzen sowie bei der Integration von ausländischen Fachkräften" Beratungsleistungen in Form von Auswahlgesprächen mit potentiellen Auszubildenden und damit zusammenhängenden Arbeiten wie z.B. Recherchen oder eine Prüfung von Bewerbungsunterlagen. Weiter ist angegeben, die Einstellung erfolge im Rahmen des durch Fördergelder finanzierten Projektes.
Die Beklagte beteiligt sich langjährig an diesem Förderprogramm, das aus Mitteln des BMWi und des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert wird.
Mit ihrer am 9. Januar 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der zuletzt vereinbarten Befristung geltend gemacht und zur Begründung ausgeführt, es handle sich um eine Daueraufgabe. Eine klare Abgrenzung zwischen Dauer- und Zusatzaufgaben sei nicht möglich. Die Beklagte biete den Service "Passgenaue Besetzung" bereits seit 2007 an. Die Information von Mitgliedsunternehmen in Fragen der Berufsausbildung sei Daueraufgabe, die passgenaue Besetzung werde in den Auftritten der Beklagten als Teil des Leistungsangebotes dargestellt. Sie - die Klägerin - sei in die allgemeinen Beratungs- und Serviceaufgaben der Beklagten integriert, u.a. betreffend die Abdeckung der allgemeinen Telefonbereitschaft. Sie habe u.a. ab Februar 2018 die IHK-Lehrstellenbörse mitbetreut, mit Bearbeitungsaufträgen auch für große Betriebe. Diese Aufgabe sei ihr ersichtlich als Reaktion auf den vorliegenden Rechtsstreit im Oktober 2018 wieder entzogen worden.
Die Berufung auf projektbezogene Drittmittel sei außerhalb des Wissenschaftsbereichs nicht geeignet, eine Befristung zu rechtfertigen, zudem liege die vorliegende Förderung unterhalb der anfallenden Personalkosten. Selbst wenn man eine Befristung auf dieser Grundlage für möglich halte, dürfe die wirtschaftliche Tätigkeit eines dauerhaft bestehenden Unternehmens nicht in einzelne Projekte zerlegt werden, um die Arbeitsverhältnisse ...