Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche betriebsbedingte Kündigung mit sozialer Auslauffrist. Fremdvergabe von Reinigungsarbeiten. ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer. Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung von Reinigungskräften wegen Fremdvergabe. Rechtsfolgen des tarifvertraglichen Ausschlusses der ordentlichen Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vereinbart der Arbeitgeber über die Anwendung von Tarifverträgen den Ausschluss der ordentlichen Kündigung, muss er diese vertraglich eingegangene Verpflichtung auch bei der Vertragsbeendigung berücksichtigen.

2. Allein die unternehmerische Entscheidung, die Reinigungsarbeiten von zwei Arbeitnehmern, die ordentlich unkündbar sind, nicht mehr durch eigene Arbeitnehmer ausführten zu lassen, mit der Folge, dass die zwei Arbeitsplätze der Reinigungskräfte in Wegfall geraten, ist für sich genommen noch nicht als wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB anzusehen. Es bedarf in einem solchen Fall noch weiterer Umstände auf Arbeitgeberseite, die der unternehmerischen Entscheidung über die Prüfung nach § 1 Abs. 2 KSchG hinaus, das Gewicht eines wichtigen Grundes verleihen.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 29.08.2011; Aktenzeichen 19 Ca 4675/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.06.2013; Aktenzeichen 2 AZR 380/12)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 29.08.2011 - 19 Ca 4675/11 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt gefasst:

1. Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 18.03.2011 beendet worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 331,43 € brutto (dreihunderteinunddreißig 43/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.07.2011 zu zahlen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

II. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung mit sozialer Auslauffrist sowie über Vergütungsansprüche der Klägerin bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.

Die am .....1966 geborene Klägerin ist auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 17.07.1995 (Bl. 133 d. A.) bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Reinigungskraft tätig. Die Klägerin ist aufgrund anwendbarer tariflicher Vorschriften nach einer Beschäftigungszeit von mehr als 15 Jahren ordentlich unkündbar.

Die Beklagte wurde als landeseigene Gesellschaft gegründet und bietet Büro- und Gewerbeflächen zur Miete an bzw. verwaltet diese. Im Jahre 2007 wurde sie an die O. G. S.A. verkauft, die sich auf Gewerbeimmobilien sowie auf Asset Management und Projektentwicklung konzentriert.

Aufgrund einer negativen wirtschaftlichen Entwicklung entschloss sich die Beklagte zu Umstrukturierungsmaßnahmen. Sie trat daraufhin in Verhandlungen mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat, die am 29.06.2010 im Abschluss eines Interessenausgleichs mündeten. Dieser sah verschiedene Maßnahmen zur Reduzierung der bestehenden Mitarbeiterkapazitäten vor, für die im Einzelnen auf die Anlage B4 zum Schriftsatz der Beklagten vom 15.04.2011 (Bl. 178 ff. d. A.) Bezug genommen wird. U. a. war dort vorgesehen neben einem Betriebsteil "Hausmeisterdienste" auch einen Betriebsteil "Reinigungsdienste" mit den beiden bei der Beklagten beschäftigten Reinigungskräften zu bilden, der dann im Wege eines Betriebsteilübergangs auf einen neuen Inhaber übertragen werden sollte. Nach Durchführung der angedachten Maßnahmen in dem Interessenausgleich sollte die Mitarbeiterkapazitäten von 84,5 auf 62 reduziert werden.

Am 28.06.2010/29.06.2010 entschloss sich die Geschäftsführung auch zur Umsetzung der im Interessenausgleich beschlossenen Maßnahmen. Sie schloss dazu mit einem von ihr schon für andere Reinigungsarbeiten beauftragtem Unternehmen mit etwa 1.500 Mitarbeitern einen Vertrag über die Erbringung von Reinigungsdienstleistungen für die von der Klägerin und der anderen Reinigungskraft betreuten Objekte ab dem 01.12.2010. Mit Schreiben vom 01.12.2010 unterrichtete die Beklagte die Klägerin über einen Betriebsteilübergang und über den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses auf dieses Unternehmen sowie die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen. Für die Einzelheiten des Schreibens wird auf die Anlage B5 des Schriftsatzes der Beklagten vom 15.04.2011 (Bl. 178 bis 180 d. A.) Bezug genommen. Die Klägerin widersprach einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 28.12.2010 (Bl. 181 d. A.).

Nachdem die weiteren Verhandlungen der Parteien über eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin bei dem beauftragten Unternehmen erfolglos geblieben waren, hörte die Beklagte ihren Betriebsrat mit Schreiben vom 04.03.2011, für dessen Einzelheiten auf die Anlage B3 des Schriftsatzes der Beklagten vom 15.04.2011 (Bl. 149...

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