Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung eines Taxifahrers unter Berücksichtigung von Standzeiten als unbezahlte Bereitschaftszeiten
Leitsatz (amtlich)
Eine von den Arbeitsvertragsparteien für Taxifahrer getroffene Vergütungsabrede, wonach der "Monatslohn/Wochenlohn/Stundenlohn" 45 % der Bareinnahme inkl. 7 % Mehrwertsteuer betrage, erweist sich weder nach einer Inhaltskontrolle noch wegen Sittenwidrigkeit als unwirksam und ist daher nicht durch eine höhere Vergütung nach § 612 BGB zu ersetzen.
Standzeiten von Taxifahrern sind Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes und der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG. Sie müssen als Bereitschaftsdienst jedoch nicht wie die sonstige Arbeitszeit vergütet werden.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1, §§ 612, 138, 307, 138 Abs. 1-2, § 307 Abs. 2, § 310 Abs. 3; EFZG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1a S. 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt (Oder) (Entscheidung vom 08.08.2013; Aktenzeichen 8 Ca 86/13) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt/Oder vom 08.08.2013 - 8 Ca 86/13 - wird auf seine Kosten bei einem Streitwert von 11.710,92 EUR in der II. Instanz zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der zweiten Instanz noch um Entgeltzahlung und -fortzahlung in Höhe von 11.773,12 EUR abzüglich erhaltener 472,20 EUR und um die Herausgabe von Arbeitszeitnachweisen, Abrechnungen und Quittungen.
Den Anspruch berechnet der Kläger für den Zeitraum Juli 2011 bis einschließlich November 2012 dergestalt, dass er entgegen der arbeitsvertraglichen Vereinbarung einen monatlichen Bruttolohn von 1.180,00 EUR als durchschnittlichen Bruttolohn für Taxifahrer in Brandenburg annimmt, daraus (: 173,5 Stunden) einen Bruttostundenlohn in Höhe von 6,80 EUR ermittelt und diesen mit den Stunden multipliziert, die er behauptet, in den einzelnen Monaten gefahren zu sein, wobei er sich die tatsächlich gezahlten Beträge auf der Basis der arbeitsvertraglichen Abrede anrechnen lässt. Für den Monat November 2012, in dem er arbeitsunfähig krank gewesen sei, ermittelt er eine Entgeltfortzahlung in Höhe von 2.018,47 EUR, da er in den Monaten Juli, August und September ein Einkommen von 6.055,40 EUR erzielt habe (6.055,40 EUR : 3 = 2.018,47 EUR).
Das Arbeitsgericht Frankfurt/Oder hat die diesbezügliche Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger auf der Basis der arbeitsvertraglichen Vergütungsabrede für die Zeit seiner Beschäftigung Vergütung erhalten habe. Einen darüber hinausgehenden Vergütungsanspruch, insbesondere auf der Basis einer Vergütung von 6,80 EUR pro Stunde, habe der Kläger aus keinem erdenklichen Gesichtspunkt. Die von den Parteien im Arbeitsvertrag (vgl. dazu den Arbeitsvertrag in Kopie Bl. 51 d. A.) unter § 2 getroffene Vergütungsabrede ("der Monatslohn/Wochenlohn/Stundenlohn beträgt brutto EUR 45 % der Bareinnahme inkl. 7 % Mehrwertsteuer") erweise sich weder nach einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB noch wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB als unwirksam und sei daher nicht durch eine höhere übliche Vergütung nach § 612 BGB zu ersetzen. Die ihm nach dem Arbeitsvertrag zustehende Vergütung habe der Kläger erhalten.
Der Anspruch des Klägers auf Herausgabe der Arbeitszeitnachweise sei zum Teil unzulässig, weil nicht bestimmt und damit nicht vollstreckbar. Jedenfalls aber sei der Anspruch unbegründet. Denn entgegen der Ansicht des Klägers sei die Beklagte nicht verpflichtet, Arbeitszeitnachweise, Abrechnungen, Quittungen und Betriebsnachweise vorzulegen, damit er seine Forderungen näher darlegen und unter Beweis stellen könne. Nach § 138 Abs. 2 ZPO habe sich zwar jede Partei über die vom Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Eine allgemeine Auskunftspflicht kenne das materielle Recht jedoch nicht und es sei nicht Sache des Prozessrechts, sie einzuführen. Keine Partei sei gehalten, dem Gegner für seinen Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfüge. Der Beklagten sei nicht gemäß § 142 Abs. 1 ZPO aufzugeben gewesen, diverse Aufzeichnungen herauszugeben, denn die Vorschrift befreie die Partei, die sich auf eine Urkunde beziehe, nicht von ihrer Darlegungs- und Substantiierungslast. Dementsprechend dürfe das Gericht die Urkundenvorlegung nicht zum bloßen Zwecke der Informationsgewinnung, sondern nur bei Vorliegen eines schlüssigen, auf konkrete Tatsachen bezogenen Vortrags der Partei anordnen. Im Streitfall liege kein schlüssiger Vortrag des Klägers vor, so dass der Beklagte nicht zur Herausgabe zu verpflichten sei. Im Übrigen habe der Kläger die vom Beklagten ermittelten Arbeitszeiten der einzelnen Monate letztlich zugrunde gelegt, lediglich unschlüssig behauptet, sie sei nicht korrekt wiedergegeben. Hinsichtlich der vom Kläger genommenen Pausen sei sein Vortrag widersprüchlich. Einerseits behaupte er, keine gesetzlichen Pausen eingelegt zu haben, andererseits habe er seine Pausen unterbrochen, sobald ein Beförderungsauftrag vorgelegen habe. Ein ...