Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinweispflicht des Arbeitgebers bei drohendem Verfall von Urlaubsanspruch. Kein Anwendungsbereich für pauschale Kostenerstattung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der Arbeitgeber hat die Pflicht den Arbeitnehmer rechtzeitig auf den drohenden Verfall von Urlaubsansprüchen hinzuweisen.

2. § 12a Abs. 2 S. 1 ArbGG schließt die Anwendung der Pauschale nach § 288 Abs. 5 BGB aus.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 3-4; BGB § 280 Abs. 1, 3, § 283; RL 2003/88/EG Art. 7; VO Mindestlohn Gebäudereiniger; BGB § 288 Abs. 5; ArbGG § 12a Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Entscheidung vom 03.08.2018; Aktenzeichen 17 Ca 6536/18)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 26.05.2020; Aktenzeichen 9 AZR 259/19)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. August 2018 - 17 Ca 1718/18 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 329,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24. Juli 2018 zu zahlen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben bei einem Streitwert von 5.319,79 Euro die Klägerin zu 9/10 und die Beklagte zu 1/10 zu tragen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz haben bei einem Streitwert von 808,40 Euro die Klägerin zu 6/10 und die Beklagte zu 4/10 zu tragen.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Urlaubsabgeltungs- und weitere Zahlungsansprüche.

Die Klägerin war ab 1. Februar 2017 bei der Beklagten als Reinigungskraft mit einem monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt 1.300,00 Euro tätig. Auf den schriftlichen Arbeitsvertrag vom 5. Februar 2017 nebst Änderungsvertrag vom 18. April 2017 wird Bezug genommen (s. Bl. 8-13 d.A.). Mit Schreiben vom 18. April 2018 erklärte die Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 4. Mai 2018.

Mit ihrer am 8. Mai 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit dieser Kündigung geltend gemacht. Mit Schreiben vom 9. Mai 2018 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten weitere Forderungen erhoben. U.a. bestehe ein Anspruch auf 1.854,00 Euro Urlaubsabgeltung für 30 Tage, da sie von für 2017 und 2018 zustehenden 37 Tagen Urlaub 2017 zwei Tage und 2018 fünf Tage Urlaub genommen habe (s. Bl. 57-59 d.A.). Mit ihrer Klageerweiterung vom 16. Juli 2018, der Beklagten zugestellt am 23. Juli 2018, hat die Klägerin Zahlungsansprüche weiterverfolgt. Sie habe von dem ihr zustehenden Urlaub 2017 zwei Tage und 2018 acht Tage genommen, so dass ein Anspruch von 27 Tagen verbleibe. Die Freistellungen am 2. Oktober 2017, 30. Oktober 2017 und 1. Dezember 2017 seien einseitig erfolgt und nicht als Urlaub anzusehen. Abzüglich der mit der Entgeltabrechnung für den Mai 2018 abgerechneten Urlaubsabgeltung von 556,20 Euro verbleibe ein Betrag von 1.112,40 Euro (10,30 x 6 Stunden = 61,80 Euro x 27 abzüglich 556,20 Euro). Für November und Dezember 2017 bestehe ein Anspruch auf weitere je 5,00 Euro im Monat, da sich bei einer Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich ausgehend von dem Mindestlohn gemäß Verordnung über zwingende Bedingungen in der Gebäudereinigung (MiLoGebR) und einer Berechnung nach § 3 Ziff. 1. MiLoGebR ein Anspruch auf 1.305,00 Euro ergebe. Hinsichtlich der weiter geltend gemachten Zahlungs- und Zinsansprüchen wird auf die Klageerweiterung Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 18.04.2018 nicht aufgelöst wird;

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen fortbesteht;

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin

a) 10,00 Euro brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 5,00 Euro brutto seit dem 15. Dezember 2017 sowie weiteren 5,00 Euro brutto seit dem 15. Januar 2018,

b) Verzugszinsen aus einem Betrag in Höhe von 44,15 Euro brutto über dem Basiszinssatz seit dem 15. Februar 2018 sowie je weiteren 44,15 Euro brutto ab dem 15. März 2018, dem 15. April 2018 und 15. Mai 2018 bis einschließlich des 13. Juni 2018,

c) 73,76 Euro brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Juni 2018,

d) 92,16 Euro netto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 400,00 Euro brutto abzüglich 180,00 Euro netto ab dem 15.04.2017 und aus einem zusätzlichen Betrag von 563,33 Euro brutto abzüglich von weiteren 544,33 Euro netto ab dem 15. Mai 2017 und

e) weitere 120,00 Euro netto

zu zahlen

sowie hilfsweise für den Fall der Abweisung der Anträge zu 1. und 2.

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.112,40 Euro brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf diesen Betrag seit dem 15. Juni 2018 zu zahlen,

5. die Beklagte zu verurteile...

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