Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch gegen den Landkreis auf Zahlung einer Entschädigung wegen einer Benachteiligung als gleichgestellter Schwerbehinderter hinsichtlich der Nichtberücksichtigung bei der Besetzung der Stelle als Referatsleiter
Leitsatz (redaktionell)
Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Das spezielle Benachteiligungsverbot des § 164 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verbietet eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung. Zwischen der Benachteiligung und einem in § 1 AGG genannten Grund bzw. zwischen der Benachteiligung und der Schwerbehinderung muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen. Es reicht aus, dass die Benachteiligung i.S.v. § 3 Abs. 1 AGG an einen Grund i.S.v. § 1 AGG bzw. die Schwerbehinderung anknüpft oder durch diese/n motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt.
Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Hierfür gilt das Beweismaß des sog. Vollbeweises. Der Arbeitgeber muss Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben.
Normenkette
AGG § 15 Abs. 2, § 6 Abs. 1 S. 2 Alt. 1, Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Neuruppin (Entscheidung vom 05.07.2023; Aktenzeichen 5 Ca 717/22) |
Tenor
I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 05. Juli 2023 - 5 Ca 717/22 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger wegen einer Benachteiligung als gleichgestellter Schwerbehinderter zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet ist.
Der beklagte Landkreis schrieb im April 2022 eine Stelle als Referatsleiter Personal (m/w/d) mit der Entgeltgruppe EG 13 des TVöD - VKA aus und löste bei der Bundesagentur für Arbeit einen Vermittlungsauftrag aus. Ob bei der Stellenausschreibung die Anforderung "Volljurist (m/w/d) mit erfolgreichem Abschluss der zweiten juristischen Staatsprüfung" angegeben war ist zwischen den Parteien streitig.
Der 36 Jahre alte Kläger, der den 3-jährigen Studiengang "Master of Public Administration" an der Universität Kassel erfolgreich absolviert hatte und nunmehr den akademischen Grad "Master of Public Administration" führt, bewarb sich mit Mail vom 27.04.2022 auf die von dem Beklagten ausgeschriebene Stelle und reichte seine Bewerbungsunterlagen samt Lebenslauf ein (auf Bl. 9-16 der Akte wird verwiesen). Im Bewerbungsschreiben wies er auf seine Gleichstellung zur Schwerbehinderung hin. Der Kläger ist kein Jurist und hat keine juristischen Staatsexamina.
Nach Ablauf der Bewerbungsfrist am 16.05.2022 übergab der Beklagte am 17.05.2022 der bei ihm eingerichteten Schwerbehindertenvertretung und dem Personalrat die Bewerbungsunterlagen des Klägers.
Per Mail vom 23.06.2022 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er nicht in die engere Auswahl für die ausgeschriebene Stelle gekommen sei.
Mit Schreiben vom 21.07.2022 (Bl. 18 d. A.) machte der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG geltend. Er teilte mit, dass er den ausgeschriebenen Anforderungen
- Abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium
- Berufserfahrung
- Verschiedene Charakter - und Arbeitseigenschaften ( soft skills ) genüge und wegen seiner Behinderung benachteiligt worden sei.
Der Beklagte wies diesen Anspruch mit Schreiben vom 27.07.2022 mit der Begründung zurück, den Kläger nicht berücksichtigt zu haben, weil er die Anforderungen der Stellenausschreibung nicht erfülle. So fehle ihm beispielsweise der in der Stellenausschreibung geforderte Abschluss als Volljurist mit 2 Staatsexamina. Daher sei er fachlich ungeeignet.
Mit Mail vom 04.08.2022 verwies der Kläger darauf, dass in der Stellenausschreibung der Agentur für Arbeit im Anforderungsprofil nicht veröffentlicht war, dass ein Volljurist gesucht wurde. Er übersandte dem beklagten Landkreis die Stellenausschreibung der Bundesagentur für Arbeit (auf Bl. 7-8 d. A. wird verwiesen).
Mit der am 21.10.2022 beim Arbeitsgericht Neuruppin eingegangenen und dem Beklagten am 2.11.2022 zugestellten Klage hat der Kläger einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG weiterverfolgt.
Er hat die Ansicht vertreten, die Beklagte habe ihn entgegen den gesetzlichen Vorgaben wegen der Schwerbehinderung benachteiligt. Die Beklagte habe verschiedene Pflichten aus § 164 Abs. 1 SGB IX, u.a. ihre Pflicht aus § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX, verletzt, den bei ihr eingerichteten Personalrat über seine Bewerbung unmittelbar nach deren Eingang zu unterrichten. Die eingegangene Bewerbung vom 27.04.2022 sei erst am 17.05.2022, somit über 3 Wochen später weitergeleitet worden. Diese Pflicht bestehe unabhängig von der fachlichen Eign...